Klimawandel vor der Tür

Klimawandel vor der Tür

Wetterextreme, Überflutungen und Bergstürze: Der Klimawandel macht auch vor Österreich keinen Halt. Der Leiter der österreichischen BeamtInnendelegation, Dr. Helmut Hojesky, erklärt, wie Österreich auf die Auswirkungen des Klimawandels reagiert.

Autor*innen: Marie-Therese Tropsch, Christoph Peterseil

klimareporter.in: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Österreich?
Hojesky: Die ersten Auswirkungen sind die Wetterextreme: Wir hatten den wärmsten September, seit es Messungen gibt, gefolgt vom kältesten Oktober seit 18 Jahren. Auch die Niederschlagsverteilung wird sich durch den Klimawandel verändern: Es wird mehr Niederschläge im Winter geben, und zwar in Form von Regen, nicht Schnee.

klimareporter.in: Was ist das Worst-Case-Szenario für Österreich?
Hojesky: Häufigere Überflutungen können so ein Worst-Case-Szenario sein. Sobald größere Flächen davon betroffen sind, ist auch die Infrastruktur in Gefahr. Bahnlinien oder Straßen könnten weggespült oder unpassierbar werden. Das Ganze ist eine teure Angelegenheit: Die Kosten für die Reparatur solcher Schäden sind ungefähr 10 Mal so hoch wie die Kosten für österreichische Klimaschutzmaßnahmen.

klimareporter.in: Das heißt, Klimaschutzmaßnahmen wären eine lohnenswerte Investition in den Klimaschutz?
Hojesky: Absolut. Nachträgliche Reparaturen sind Geldverschwendung.

klimareporter.in: Ziel des Klimaschutzabkommens von Paris ist, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen. Reicht das?
Hojesky: Diese 2 Grad Celsius sind ein verbindliches Ziel. Anzustreben ist das 1,5 Grad Celsius Ziel, um den weiteren Meeresspiegelanstieg zu begrenzen. Vor allem Vertreter der Südseeinseln pochen darauf, dass das 1,5 Grad Celsius Ziel erreicht wird. Denn wenn die Temperaturen weiter ansteigen, wird es diese Inseln nicht mehr geben. Das ist allerdings ein sehr ambitioniertes Szenario, das nur mit dem flächendeckenden Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis 2050 erreicht werden kann. Momentan ist es schon schwer, das 2 Grad Celsius Ziel zu erreichen, das 1,5 Grad Celsius Ziel scheint nahezu unmöglich. Das Ziel der EU, eine Senkung der Emissionen um mindestens 40 % bis 2030, ist dabei auch zu wenig. Wenn bei den Prozenten nicht nachgebessert wird, kommt es zu einer Erderwärmung von rund 3 Grad Celsius. Wenn die Emissionen bis 2050 um 80-95% gesenkt werden, könnte man das 2 Grad Celsius Ziel noch erreichen. Das Pariser Klimaschutzabkommen enthält eine Klausel, die genau da ansetzt: Alle 5 Jahre muss nachgebessert werden.

klimareporter.in: Welche Maßnahmen setzt Österreich, um das Klimaziel zu erreichen?
Hojesky: Dazu gehören Maßnahmen wie die Beimischung von Biokraftstoffen zu Treibstoffen, die Förderung erneuerbarer Energieträger, Wärmedämmung, Fenstertausch und Haussanierung im Allgemeinen, um ein paar Beispiele zu nennen. Diese Maßnahmen helfen, die Treibhausgasemission zu reduzieren, allerdings stehen wir jetzt ungefähr dort, wo wir 1990 waren. 1990 bis 2005 sind die Emissionen in Österreich  angestiegen, erst seit 2005 fallen sie wieder.

klimareporter.in: Der Anstieg der Permafrostgrenze führt zu einer zunehmenden Gefahr von Bergstürzen in alpinen Regionen. Welche Maßnahmen setzt Österreich in solchen Regionen?
Hojesky: Um bevorstehende Bergstürze zu verhindern, werden auch technische Maßnahmen gesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Sonnblick Observatorium, eine meteorologische Beobachtungsstation auf 3.100m. Damit der Sonnblick-Gipfel nicht abstürzt, wurde er mit Eisenklammern und Betonankern befestigt. Das kann man aber nicht bei jedem Berg machen.

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Dr. Helmut Hojesky, ©BMLFUW

klimareporter.in: Der sichtbare Rückgang der Gletscher in den Alpen bedeutet einen Verlust natürlicher Wasserspeicher und dadurch auch einen Rückgang des Wintertourismus. Was tut Österreich dagegen?
Hojesky: Die Gletscher gehen laufend zurück, das ist beängstigend. Noch ist unsere Trinkwasserversorgung nicht davon betroffen, es gibt schließlich auch andere Wasserspeichermöglichkeiten. Ich sehe aber vor allem Speicherseen, die wichtig für unsere Stromproduktion sind, gefährdet. Wenn es weder Schneedecke noch Schmelzwasser gibt, können diese Seen nicht mehr befüllt werden. Was den Wintertourismus betrifft, sehe ich auch große Probleme: Unter 1.500 Metern ist es zu warm, um zu beschneien. In höheren Lagen wird Skifahren zwar weiterhin möglich sein, es stellt sich nur die Frage, ob die Skisaison dann genauso lang ist wie bisher. Aus diesen Gründen predigen wir den Skigebieten, sie sollen Alternativen zum alpinen Skilauf anbieten, wie zum Beispiel klassische Sommersportarten.

klimareporter.in: Wie zukunfts- und erfolgsversprechend sind Flugzeuge und Autos in der Zukunft?
Hojesky: Ich sehe keine Zukunft fossilfreier Flugzeuge, so etwas wie ein Solarflugzeug für 300 Passagiere wird es nicht geben. Bei den Autos ist das anders. Elektroautos sind die Zukunft. Wir brauchen allerdings noch die notwendige Infrastruktur für solche Autos. Wenn wir Ladestationen und Systeme mit Batteriewechsel genügend ausbauen, glaube ich, dass Elektroautos massentauglich sind. Man braucht sich da nur Tesla anschauen.

klimareporter.in: Sind Autos die Top Klimawandelauslöser?
Hojesky: Die größten Klimakiller sind Kohlekraftwerke zur Stromproduktion. Wir müssen zuerst aus der Kohle raus, dann aus Öl und Gas. Autos tragen im Vergleich zu diesen Klimakillern weniger zum Klimawandel bei.

klimareporter.in: Mussten Sie in den österreichischen Verhandlungspositionen auch Positionen vertreten, die Sie persönlich nicht teilen?
Hojesky: Ja, das kommt schon vor. Beim Kyoto-Protokoll war ich zum Beispiel nicht mit dem Freikaufen von Reduktionsverpflichtungen, den sogenannten flexiblen Mechanismen, zufrieden.

 

Zur Person: Dr. Helmut Hojesky ist Leiter der österreichischen BeamtInnendelegation. Gemeinsam mit den anderen Delegierten vertritt er Österreich auf der Weltklimakonferenz (COP22) in Marrakesch, Marokko.