Politik nimmt Klimaschutz ernster

Politik nimmt Klimaschutz ernster

Vergangenen Montag haben die KlimareporterInnen mit Johannes Wahlmüller, dem Klima- und Energiesprecher von Global2000, gesprochen. Dabei ging es um Themen, wie den Ausstieg aus fossiler Energie, das Energiebürgertum und Österreichs Klimastrategie im Allgemeinen. Wahlmüller wünscht sich von der österreichischen Regierung vor allem eines: klare Aussagen.

Autorin: Marie-Therese Tropsch, Stefanie Weichselbaum

klimareporter.in: Mit Ihrer Aussage „Österreich braucht ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum Klimaschutz und zur Energiewende“ deuten Sie an, dass es keine klaren Ziele für eine integrierte Energie- und Klimastrategie gibt. Woran liegt das?

Wahlmüller: Im Juli hat die österreichische Regierung den Prozess zu einer neuen Energie- und Klimastrategie gestartet. Dieser Prozess soll festlegen, was Österreich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Sachen Klimaschutz vorhat. Global2000 hat im Vorfeld kritisiert, dass dieser Prozess gestartet wurde, ohne klare Zielvorgaben durch die Minister. Stattdessen hat die österreichische Regierung Grundsatz-Fragen an die Bevölkerung und Stakeholder gestellt. Fragen wie „Brauchen wir langfristige Klimaziele?“, „Brauchen wir einen Ausbau erneuerbarer Energie in Österreich?“, „Sollen wir Klimaschutz in Österreich betreiben oder uns wieder über Zertifikate freikaufen?“ Aus Sicht von Umweltorganisation und Wissenschaft besteht über so Grundsätzliches längst kein Zweifel mehr. Es geht jetzt darum, endlich Maßnahmen zu setzen. Als der Prozess zur Energie-und Klimastrategie gestartet wurde, waren wir deshalb sehr enttäuscht.

klimareporter.in: Wie haben Sie sich als Umweltorganisation in diesem Prozess positioniert?

Wahlmüller: Anstatt diese leicht zu beantwortenden Fragen zu beantworten, haben wir in einer gemeinsamen Aktion mit dem WWF, Greenpeace und über 5.000 Leuten relevante Fragen an die Regierung gestellt und ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz eingefordert.
Immerhin hat die Regierung auf unsere Kritik reagiert: Auf einer Informationsveranstaltung in Linz sind Mitterlehner, Leichtfried und Rupprechter aufgetreten und besonders der Umweltminister hat sich klar für den Ausstieg aus fossiler Energie ausgesprochen. Nach dieser Veranstaltung hatten wir das Gefühl, dass die Politik das Thema Energie- und Klimastrategie ernster nimmt als früher und dass jetzt hoffentlich die Weichen gestellt werden.

klimareporter.in: Was ist mit dem Prozess zur „integrierten Energie- und Klimastrategie“ gemeint?

Wahlmüller: Diese Strategie umschreibt einen Fahrplan für Österreich: Dabei geht es auch um die Entwicklung zu einem nachhaltigen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell und die Umstellung des gesamten Energiesystems auf erneuerbare Energie. Es geht um die Frage: „Wie will man die Klimaziele, die sich aus dem Abkommen von Paris ableiten, in Österreich umsetzen?“

klimareporter.in: Sie haben einmal erklärt, dass Energie in Zukunft nicht nur mehr von großen Energiekonzernen produziert wird, sondern von einer Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren, sogenannten Energiebürgern. Wie soll das funktionieren?

Wahlmüller: In Wahrheit sind wir schon mitten in dieser Entwicklung. Viele Leute schrauben sich Solarpanele auf Ihr Dach. Laut der Studie „The Potential of Energy Citizens in the European Union“ könnte fast die Hälfte des Strombedarfs in Europa von dezentralen Anlagen auf Wohn- oder Bürogebäuden abgedeckt werden. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Denn nur mit stabilen Förderbedingungen und dem Abbau von Hürden für private Anlagen kommen wir weiter.

klimareporter.in: Wo liegen die Hürden aus Ihrer Sicht?

Wahlmüller: Wir diskutieren derzeit sehr stark über das Ökostromgesetz und wie dieses ausgestaltet werden soll. Vor dem Gesetz hat vor allem die etablierte Energiewirtschaft Angst. Da sie ihr Geschäftsmodell bedroht sieht, leistet sie Widerstand. Hier muss ein Umdenken stattfinden.
Wenn die österreichische Regierung die Ziele wirklich umsetzen will, kann sie das schaffen. Wenn sie sehr stark auf die Mineralölwirtschaft hört, die Ölheizungen einbauen möchte und nicht will, dass die Menschen selbst Energie produzieren, dann wird die Energiewende nicht gelingen.

klimareporter.in: Weltweit verlassen Menschen ihre Heimat, weil sie lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt sind. Nicht immer ist Krieg der Grund. Wir sprechen von Klimaflüchtlingen. Wie soll sich die Staatengemeinschaft angesichts dieser Herausforderung verhalten?

Wahlmüller: Eine der schwersten Folgen des Klimawandels sind die zu erwartenden Millionen Klimaflüchtlinge. Aus diesem Grund muss die Staatengemeinschaft planen, koordinieren und den Menschen die Option geben, sich woanders anzusiedeln und das in einer Art und Weise, damit ihre Kultur erhalten bleibt.
Afrika ist beispielsweise flächendeckend von einem erhöhten Dürrerisiko betroffen. Hier beginnen schon heute Überlebensstrategien der Bürgerinnen und Bürger um eine komplette Abwanderung zu verhindern. In diesem Fall funktioniert dies so, dass ein bis zwei Familienmitglieder nach Europa geschickt werden, um Geld zu verdienen und sobald die Dürre kommt, können sich diese Familien Lebensmittel kaufen. Hier wäre die Staatengemeinschaft gefordert, diesen Menschen eine legale Einwanderung zu ermöglichen, damit sie Einkommen generieren können und in einer gewissen Art und Weise auch ein Versicherungssystem schaffen, ohne dass die ganze Familie aus ihrer Heimat fortgehen muss.

klimareporter.in: Was erhoffen Sie sich von der diesjährigen Klimakonferenz?

Wahlmüller: Paris war ein Zeichen der Hoffnung, weil weitreichende Beschlüsse gefasst wurden. Marrakesch sollte die Umsetzung dieser Beschlüsse weitertreiben. Man hat z.B. den Entwicklungsländern zugesagt, dass es 100 Milliarden US-Dollar an Unterstützung geben wird. Auf der Klimakonferenz muss spezifiziert werden, woher diese Mittel kommen, wie sie beschaffen sind und für welche Bereiche sie zur Verfügung stehen. Als nächstes muss eine Lücke geschlossen werden: die vorliegenden Klimaschutzpläne der Staaten reichen nicht aus, um die Ziele des Abkommens zu erreichen. Im Jahr 2018 ist ein Review Meeting anberaumt, bei dem analysiert werden soll, wo die Staaten stehen und was man tun kann, um diese Lücke zu schließen.

klimareporter.in: Hat Global2000 bereits Aktionen geplant?

Wahlmüller: Aktionen gibt es fast jeden Tag vor Ort. Das wird teilweise sehr spontan organisiert. Mit Sicherheit wird es wieder eine Dokumentation der Fortschritte und Rückschläge geben. Die NGOs vergeben z.B. den Preis „Fossil of the Day“. Damit wird jenes Land gekürt, das in den Verhandlungen am meisten gebremst hat. Der positive Gegenpart nennt sich „Ray of the Day“.

Zur Person: Johannes Wahlmüller ist Klima- und Energiesprecher der Nichtregierungsorganisation (NGO) Global2000 und wird an der 22. UN-Klimakonferenz in Marrakesch, Marokko, teilnehmen.