Wenn sich die ganze Welt über’s Klima unterhält

Wenn sich die ganze Welt über’s Klima unterhält

Hast du schon mal einen Text zu zweit schreiben müssen? Wie war das für dich? War es zu Beginn ungewohnt? Warst du schneller oder langsamer als wenn du den Text alleine geschrieben hättest? Hattest du dabei auch schon mal das Gefühl, die Anstrengung hat sich am Ende gelohnt, weil ein besserer Text herausgekommen ist? Oder war es einfach nur anstrengend und das gemeinsame Outcome unbefriedigend? Nun ja, auf der Weltklimakonferenz (COP) passiert, vereinfacht gesagt, genau das: VertreterInnen aus aller Welt schreiben gemeinsam an Vertragstexten.

Autor: Christoph Peterseil

Aus diesem Blickwinkel versteht man besser, wieso sich die Dinge bei der Klimakonferenz eher langsam bewegen: Selbst wenn alle dasselbe wollen, ist es schwierig, eine Formulierung zu finden, mit der jede/r zufrieden ist. So werden in den Verhandlungen manchmal, von außen betrachtet, unscheinbare sprachliche Feinheiten diskutiert: Beinahe gleichbedeutende Begriffe werden gegeneinander abgewogen, jedes Adjektiv in die Waagschale geworfen. Denn das Finden einer „gemeinsamen Sprache“ ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer Einigung.

Bei der Klimakonferenz (COP) kommt noch ein wesentliches Detail dazu: Bei der Vielzahl an TeilnehmerInnen und Interessen wollen eben nicht immer alle dasselbe: An der COP nehmen so gut wie alle Staaten der Welt teil, jede/r ErdenbürgerIn ist indirekt durch eine/n VertreterIn mitgemeint, wenn verhandelt wird. Je nach Ressourcen der jeweiligen Länder bzw. ihren Delegationen schließen sich Staaten manchmal zusammen, zum Beispiel die EU, um ihr politisches Gewicht hinter einer Stimme zu bündeln. Auch die „G77-Staaten und China“ treten manchmal gemeinsam auf, weil viele kleinere und so genannte Entwicklungsländer mit Delegationen anreisen, die ihr Land unmöglich in allen Themenfeldern vertreten können.

Wenn  nun unterschiedliche Interessen aufeinander treffen, wird einfach so lange diskutiert, bis man sich auf etwas einigt. Das nennt man Konsensprinzip und gilt bei allen Klimaverhandlungen der UN. Im schlimmsten Fall führt es dazu, dass mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner niemand zufrieden ist, aber oft finden sich auch gemeinsam tragbare Lösungen, mit denen zuvor niemand gerechnet hätte.

Diese Gespräche sind mittlerweile so umfang- und detailreich, dass es beinahe unmöglich ist, alle parallel laufenden Verhandlungsstränge auf einmal zu verstehen. Aus der zentralen Frage „Wie reagieren wir auf den Klimawandel?“ sind dutzende Ausschüsse und spezialisierte Themen entsprungen, die sehr ins Detail gehen: Von Umweltfinanzierung über den „loss and damage“-(dt.: Verluste und Schäden) Mechanismus bis zum Technologiemechanismus. Das sind alles Werkzeuge, die einmal als Ideen in die Diskussion geworfen wurden, im Laufe der Zeit an Form und Konsistenz gewonnen haben und zum Teil schon beginnen zu funktionieren.

Was diese trockenen und sehr technischen  Verhandlungen zu meiner großen Überraschung und Freude auflockert , sind die seltenen, aber umso produktiveren, informellen Pausen, die „Huddles“: abseits der starren Gesprächssituation im Plenum sammeln sich die VerhandlerInnen dabei zu einer Gruppe und diskutieren ohne die Beobachtung des Scheinwerferlichts. Dann wird plötzlich hitzig diskutiert, hier werden die Kompromisse geschmiedet, und ganz oft wird genau dadurch dann auch tatsächlich eine Lösung gefunden.

Die Einigungen in diesen Verhandlungen sind winzige Schritt auf einem langen Weg, der hoffentlich zu weltweiter Klimasolidarität führt. Die Weltklimagespräche haben vor mehr als 20 Jahren begonnen und werden noch lange weitergeführt und intensiviert, bis die Fakten über den Klimawandel in der Bevölkerung verankert sind und alle Staaten gemeinsam Taten für eine umweltfreundlichere Zukunft setzen. Bis es so weit ist, werden die KlimavertreterInnen der Welt noch weiter in Gruppen von bis zu hundert VerhandlerInnen gemeinsam Texte schreiben, an Formulierungen feilen und Kompromisse finden.