Das läuft Verkehr(t): Warum aktive Mobilität für Klima & Gesundheit wichtig ist

Das läuft Verkehr(t): Warum aktive Mobilität für Klima & Gesundheit wichtig ist

In regelmäßigen Abständen erweitern wir unser Dossier „Klimakrise und Gesundheit in Österreich“. Teil fünf des Dossiers widmet sich den Auswirkungen unseres Mobilitätsverhaltens auf Klima, Umwelt und unsere Gesundheit. Wie stark ist die Belastung und welche Formen gibt es? An welchen Stellschrauben kann gedreht werden, um eine gesündere und nachhaltigere Fortbewegung zu gewährleisten?

Ein Dossier-Beitrag von Matthias Körner, Katharina Müller und Florian Rankl. Illustriert von Blanka Vaszi.

Mobilität bestimmt das moderne Leben. Mit dem Auto in die Arbeit pendeln, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln in die Universität oder Radfahren am Wochenende – unterschiedliche Verkehrsmittel bringen uns von A nach B. Trotz vielseitiger Angebote aktiver und öffentlicher Mobilität steht der motorisierte Individualverkehr, also mit Auto, Motorrad etc., immer noch an der Spitze der Fortbewegungsmittel. So kommt es einerseits zu einer starken Lärmbelästigung, andererseits werden schädliche Treibhaus- und Abgase ausgestoßen. Die Folgen betreffen aber nicht nur unser Klima, sondern auch unsere Gesundheit. 

5.200 frühzeitige Todesfälle in Österreich durch Luftverschmutzung

Abgase aus Verbrennungsmotoren sind die Hauptursache für Luftverschmutzung. Die Europäische Umweltagentur geht davon aus, dass in Österreich jährlich rund 5.200 Menschen vorzeitig an derartigen Folgeschäden sterben. Ein weiterer Faktor ist der verursachte Lärm, der Gesundheit und Psyche gleich mehrfach belastet. Jede dritte Person fühlt sich in Österreich von Lärm belästigt, 40 Prozent davon sind auf Verkehrslärm zurückzuführen. Teil der Lösung kann hier die Attraktivierung aktiver Mobilität sein. Dadurch können nicht nur Emissionen und Lärm reduziert, sondern auch Verbesserungen für Gesundheit, Umwelt und Klima erreicht werden.  

Obwohl Mobilität und Gesundheit eng miteinander verbunden sind, werden sie in Österreich von Entscheidungsträger*innen wie Politik und Verkehrsplanung noch zu oft getrennt voneinander behandelt. “Bestehende Problemfelder sind die Verinselung von Bemühungen und Initiativen, mangelnde intersektorale Kooperation und fehlendes Bewusstsein für die Zusammenhänge von Mobilität und Gesundheit bei Stakeholdern, Praktiker*innen und Planer*innen, etc.”, erklären die Mobilitätsexpert*innen Kathrin Chiu und Christoph Link der Austrian Energy Agency (AEA)* gegenüber klimareporter.in.

Ein positives Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit: die „Sektorkopplung Gesundheit und Mobilität“ des Klimaschutzministeriums (BMK), des Sozialministeriums (BMSGPK) und des Sportministeriums (BMKÖS), inklusive einer Beteiligung von Universitäten und Expert*innen.

Klimakrise: Der Straßenverkehr als CO2-Schleuder 

Warum das Thema “Verkehr und Mobilität” in Bezug auf die Klimakrise wichtig ist, verdeutlicht ein kurzer Blick auf den Klimaschutzbericht des österreichischen Umweltbundesamtes: Im Jahr 2019 waren knapp ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen auf den Verkehrssektor zurückzuführen. Lediglich die Sektoren Energie und Industrie hatten mit insgesamt 37 Prozent einen noch höheren Anteil. Hinzu kommt, dass der Verkehrssektor der am stärksten wachsende Sektor ist: Seit 1990 sind 10,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent hinzugekommen. Das entspricht einem Zuwachs von 74,4 Prozent. 99 Prozent der verkehrsbedingten Emissionen werden im Straßenverkehr verursacht. Während der Straßengüterverkehr 11 Prozent der gesamten nationalen THG-Emissionen verursacht, beträgt dieser Wert für den Personenverkehr auf der Straße knapp 19 Prozent.Ein besonders starker Anstieg von 112 Prozent im Vergleich zu 1990 ist bei Ersterem zu verzeichnen, im Personenverkehr war die Zunahme rund halb so groß.

Rolle und Entwicklung der THG-Emissionen im Verkehrssektor verglichen mit anderen Sektoren für das Jahr 2019. Verkehr bzw. Mobilität ist mit 30 Prozent der zweitgrößte Emittent.
Rolle und Entwicklung der THG-Emissionen im Verkehrssektor verglichen mit anderen Sektoren für das Jahr 2019. Quelle: Umweltbundesamt (S. 69)

Öffentlicher Verkehr in Österreich

Ein wichtiger Pfeiler für eine klimafreundliche Mobilitätszukunft ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Das Netz öffentlicher Verkehrsmittel in Österreich ist im internationalen Vergleich gut ausgebaut Ländliche Gebiete sind allerdings im Vergleich zu Großstädten nach wie vor stark im Nachteil. “Das Schienennetz ist in vielen Regionen zu einem Flickwerk aufgelöst und muss wieder zu einem Rückgrat der Regionen werden, die sinnvoll miteinander verknüpft werden”, so die Verkehrsexpertin Maria Zögernitz* gegenüber klimareporter.in. Sie ist unter anderem beim Klimabündnis Österreich, der Radlobby St. Pölten und bei Verkehrwende.at tätig. Für eine Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs am Land empfiehlt sie unter anderem österreichweite Anruf-Sammelsysteme und eine einfache Vereinheitlichung des Ticketkaufs. Für die Expert*innen der Austrian Energy Agency seien in ländlichen Gebieten vor allem die teils geringe Verfügbarkeit, die Fahrtdauer und die Taktung (z.B. lange Wartezeiten) des Öffi-Angebots ein Hindernis für die Abkehr vom Auto. Mögliche Lösungen und Verbesserungen sehen sie hier eben nicht nur in einer klaren Taktung, sondern beispielsweise auch in der Verdeutlichung  jener Zeit, die man in den Öffis gewinnt, indem man sich nicht auf den Verkehr fokussieren muss. Auch die Einrichtung geschützter und aufenthaltsfreundlicher Haltestellen und das Angebot von Steckdosen und WLAN bieten Potential. 

Die Landeshauptstadt Wien zeigt etwa, wie wohlwollend ein gut ausgebautes Öffi-Netz angenommen wird: Dank einer guten Anbindung und einem vielfältigen öffentlichen Mobilitätsangebot nutzen hier rund 90 Prozent der Stadtbewohner*innen (in unterschiedlicher Häufigkeit) öffentliche Verkehrsmittel. Seit Oktober 2021 wird zudem österreichweit das sogenannte „Klimaticket“ angeboten, welches die flächendeckende Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im ganzen Land ermöglicht.

Gesundheitliche Folgen von Lärmbelastung 

Unabhängig von der Art des Verkehrsmittels – von PKWs und LKWs bis zu Motorrädern und Bussen – ist der Straßenverkehr eine bedeutende Lärmquelle. Thomas Claßen, Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld, zeigt auf, dass Lärmbelastung sowohl psychische, physische, physiologische als auch soziale Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben kann.

Bei kurzfristiger Konfrontation mit Lärmquellen entstehen vermeintlich harmlose Beeinträchtigungen wie beispielsweise Gereiztheit und verminderte Konzentrationsfähigkeit. Bei Personen, die dieser Belastung langfristig ausgesetzt sind, erhöht sich jedoch auch das Risiko von gravierenden Gesundheitsschäden. Dazu zählen unter anderem erhöhter Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Claßen verweist auf Studien, welche die Auswirkungen von Verkehrslärm in deutschen Großstädten analysieren. Diese lassen darauf schließen, dass durch Verkehrslärm verursachte Schlaganfälle einen Verlust von rund 200 gesunden Lebensjahren pro 100 000 Einwohner bedeuten.

Der Gesundheitswissenschaftler legt zudem dar, dass nächtliche Lärmbelastung zu chronischen Schlafstörungen führen kann. Laut einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann dies wiederum eine Reihe von Folgewirkungen nach sich ziehen: von Gedächtnisschwierigkeiten und Depressionen bis hin zu genereller Erschöpfung. Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass die Implikationen weit über die individuelle Situation der Betroffenen hinausgehen. Personen mit Schlafstörungen sind beispielsweise auch einem erhöhten Risiko ausgesetzt, in Verkehrsunfälle involviert zu sein. Die Expert*innen der Austrian Energy Agency nennen einige Lösungsansätze, um die Verkehrslärm-Belastung zu vermindern: “Da gibt es viele Möglichkeiten, insbesondere Verkehrsberuhigungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, mehr aktive Mobilität und E-Mobilität – das Rollgeräusch des Autos ist bei geringeren Geschwindigkeiten leiser als das Motorgeräusch; da der Elektromotor kein Geräusch erzeugt, ist das Auto dann leiser. Außerdem reduziert Begrünung Lärm noch zusätzlich. Am wirkungsvollsten ist es, wenn die Lärmquellen entfallen, sprich, wenn Autofahrten durch andere Mobilitätsformen ersetzt werden.”

Emissionen und Luftverschmutzung 

Autofahren hat aber noch weitere negative Auswirkungen: Aufgrund von Verbrennungsmotoren und Straßenabrieb, landen Schadstoffe in der Luft. Das wirkt sich zum einen auf die Gesundheit aus, denn diese Stoffe können in die Atemwege gelangen. Zum anderen ist auch die Umwelt betroffen, denn im Verkehr werden hohe Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen ausgestoßen. Betrachtet man allein Diesel- und Benzin-PKW, so belaufen sich die Treibhausgas-Emissionen im Jahr 2020 laut Daten des österreichischen Umweltbundesamtes auf über 10 Millionen Tonnen CO2. In der EU ist der Straßenverkehr gar für ein Fünftel der CO2-Emissionen verantwortlich. Darunter leidet letztlich eben nicht nur das Klima, sondern durch die Beeinträchtigung der Luftqualität auch der Mensch.

Speziell der Aufenthalt in stark verkehrsbelasteten Arealen setzt den Körper einer hohen Schadstoffkonzentration aus. Vorrangig sind aus gesundheitlicher Sicht die Belastungen durch Stickstoffdioxid, Feinstaub und Ozon relevant. In Österreich ist der Verkehrssektor für den größten Anteil an Stickstoffoxid-Emissionen verantwortlich, und hierbei wiederum insbesondere die PKWs

Dreimal mehr Feinstaub-Todesfälle als Verkehrstote

Die Auswirkungen von Schadstoffen auf die Gesundheit betreffen vor allem die Atemwege. Stickstoffdioxid erweist sich für Asthmatiker*innen als kritisch, da es zu einer Verengung der Bronchien beitragen kann. Ozon, das sich durch die Reaktion von im Verkehr gebildeten Stoffen mit Stoffen in der Luft bildet, kann Atemwegsbeschwerden oder eine geringere Lungenfunktion bedingen. Aufgrund ihrer sehr geringen Größe sind auch Feinstaubpartikel gesundheitlich problematisch, indem sie sich bis in die Bronchien, in das Lungengewebe oder in den Blutkreislauf einlagern können. Die Folgen äußern sich als Reizung und Entzündungen der Atemwege, erhöhte Ablagerung in den Gefäßen bis hin zum Herzinfarkt. Verkehrsbedingter Feinstaub kann durch Reifen- und Straßenabrieb oder Dießelruß entstehen. Die Umweltorganisation GLOBAL 2000 geht in Zusammenhang von Feinstaub und Verkehr davon aus, dass Feinstaub jährlich dreimal mehr Todesfälle verursacht als Unfälle im Verkehr. Eine hohe Feinstaubbelastung in der Luft in urbanen Gegenden koste zudem rund neun Monate an Lebenserwartung. Schadstoffe, die durch den Verkehr emittiert werden, können jedoch auch zu einer Verminderung der Leistung und Konzentration sowie zu Kopfschmerzen führen. Zudem stuft  die WHO Dieselabgase seit 2012 als krebserregend ein. 

Was tun gegen Emissionen, Schadstoffe und Luftverschmutzung? 

Um die verkehrsbedingten Abgase zu verringern, gibt es in der EU sogenannte Abgasnormen. Ebendiese Normen bestimmen über die Zulassung neuer Automodelle. Momentan beschränkt die geltende Norm unter anderem den Kohlenwasserstoff-, Kohlenstoffmonoxid- und Stickstoffoxid-Ausstoß sowie die Anzahl und Masse von Partikeln. Zur Senkung der Emissionen kann zudem eine Temporeduktion beitragen. Wird das Tempo etwa von 130 auf 100 km/h verringert, so sinkt nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch der Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub um rund 20 Prozent. 

Die ”Global Air Quality Guidelines” der WHO empfehlen zudem eine regelmäßige Straßenreinigung, um die Konzentration von Staub zu verringern, der durch Verkehr (wieder-)aufgewirbelt werden würde. Dies könne in Arealen mit geringem Niederschlag durch die Verwendung von Abwasser oder durch das Kehren geschehen. Ebendiese Maßnahme bringe auch Vorteile mit sich, indem sie die gesundheitliche Schadstoff-Einwirkung durch den Verkehr verringert. Empfehlungen, die die gesundheitsschädliche Ursache zwar nicht an ihrer Wurzel bekämpfen, aber dennoch vor Schadstoffbelastung schützen, präsentiert das öffentliche Gesundheitsportal Österreichs: So lasse sich die Belastung durch Feinstaub oder Ozon mindern, indem man außerhalb von Verkehrsstoßzeiten die Fenster lüftet und verkehrsreiche Straßen so gut wie möglich meidet.

Die wichtigste Maßnahme, um Emissionen des Straßenverkehrs zu senken, ist aber der Umstieg auf Modelle, die den öffentlichen Verkehr, körperliche Bewegung und Fahrgemeinschaften priorisieren. Dieser Schritt ist nicht nur Voraussetzung für eine Reduktion der gesundheitlichen Auswirkungen, sondern auch zur Bewältigung der Klimakrise. Dass vor allem junge Menschen diesbezüglich auf einem guten Weg sind, betont auch die Verkehrsexpertin Zögernitz: “Bei der jungen Generation hat das Auto bereits die Emotionalität verloren und ist zu einem Transportmittel von A nach B geworden. Es gibt bereits einen gesellschaftlichen Wandel, der sich auch in der älteren Generation, besonders bei den Planer*innen durchsetzen muss.”

Flächenversiegelung begünstigt Hitze und Schadstoffwirkung

Eine weitere gesundheitliche Einschränkung, die man oft nicht direkt mit dem Verkehr verknüpft, ist die Hitze. Durch die für den Verkehr benötigte Infrastruktur, wie Straßen und Parkplätze, werden Flächen versiegelt, die Wärme abstrahlen. Das hat langfristig nicht nur negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, sondern beeinflusst auch die Wirkung von Schadstoffen in negativer Hinsicht.

Um diesem Umstand entgegenzuwirken, bietet sich beispielsweise eine Flächenbegrünung an. Eine derartige Begrünung steht nach den Mobilitäts-Expert*innen der AEA auch in Zusammenhang mit aktiver Mobilität. “Viele Maßnahmen zur Förderung von aktiver Mobilität haben zusätzliche positive Effekte auf Umwelt und Gesundheit, beispielsweise eine Umgestaltung von öffentlichem Raum, der mit Begrünung einhergeht – so wird CO2 gebunden, Hitzeinseln reduziert, die Aufenthaltsqualität gesteigert und das Gehen oder Radfahren attraktiver gemacht”, so die Expert*innen. Zögernitz ergänzt zudem die platzsparende Komponente aktiver Mobilitätsformen, die so zusätzlichen Platz für Grünräume schafft und damit auch Hitze reduziert.

In Bezug auf die Relevanz der allgemeinen Verkehrsplanung und einer solchen Planung, die die aktive Mobilität priorisiert, betont Zögernitz den Einfluss, der heute schon auf die österreichische Mobilitätszukunft genommen werden kann: “Raumordnung und Raumplanung ist das wichtigste Element für eine zukunftsfähige Mobilität. Was heute raumplanerisch festgelegt wird, wirkt bis ins Jahr 2050.” 

Aktive Mobilität förderlich für die eigene Gesundheit 

Bewegungsaktive Mobilität – also Mobilitätsformen, bei denen Wegstrecken anhand der eigenen Muskelkraft bewältigt werden wie etwa Radfahren, Rollerskaten, Skateboarden oder auch einfach Gehen – ist nicht nur für das Klima und die Mobilitätswende wichtig, sondern auch für die eigene Gesundheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt pro Woche mindestens 150 Minuten moderate bis intensive körperliche Anstrengung, das entspricht einem Tagespensum von rund 20 Minuten. Für viele auszubildende und arbeitende Personen in Österreich könnte dies bereits der tägliche Weg zur Arbeit sein. Immerhin sind mit mehr als 30.000 Toten pro Jahr Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine der häufigsten Todesursachen in Österreich und meist ist mangelnde körperliche Bewegung eine Ursache. Aber auch andere Erkrankungen wie Diabetes, Depression, Demenz, verschiedenen Krebsarten sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates können durch körperliche Bewegung ganz verhindert oder positiv beeinflusst werden, wie verschiedene Studien der WHO belegen. 

Eine detaillierte Betrachtung hinsichtlich verschiedener positiver Einflüsse von Bewegung auf diverse Körpersysteme liefert zudem das öffentliche Gesundheitsportal Österreich (für Interessierte: siehe diese Tabelle). Vor allem mit zunehmendem Alter verstärken sich die positiven gesundheitlichen Vorteile von Bewegung im Vergleich zu Personen mit chronischem Bewegungsmangel. Das bedeutet aber nicht, dass Bewegungsmangel in jüngeren Jahren kein gesundheitliches Problem darstellt.  Weltweit zählt Bewegungsmangel laut WHO sogar zu den vier häufigsten Risikofaktoren für die Entstehung von Krankheiten mit Todesfolge.

Kommunikation und Bewusstseinsbildung

Problematisch für den Umstieg auf aktive Mobilitätsformen ist die Macht der Gewohnheit, wie die Expert*innen der Austrian Energy Agency erklären: “Das Schwierige und gleichzeitig Spannende ist, dass viele Lösungen zur Mobilitätswende (das gilt nur eingeschränkt für den Güterverkehr) bekannt und umsetzbar sind – sie aber oft die Änderung von Mobilitätsroutinen und Habits erfordern.” Gerade in Österreich, wo zahlreiche Strecken auch gut per Rad oder Fuß zu erledigen sind, werde aufgrund von Gewohnheit oder unzureichender Infrastruktur noch zu sehr auf das Auto gesetzt. Um dies zu ändern, sei vor allem der Infrastrukturausbau relevant, der unter anderem angenehme und damit auch attraktivere Mobilität ermöglichen kann. Das beginne beispielsweise schon bei einem breiten, barrierefreien, schattigen und sauberen Gehsteig oder Radweg. 

Damit auch die breite Masse vermehrt auf zukunftsfähige Mobilitätsarten setzt, braucht es in jedem Fall Kommunikation und Überzeugung. Manche Personengruppen, etwa jene mit verstärktem Interesse für Themen der Klimakrise, seien dabei laut den AEA-Mobilitäts-Expert*innen leichter und schneller zu erreichen als andere. In jedem Fall seien jedoch die zahlreichen Vorteile aktiver Mobilität zu betonen, von Gesundheit und Fitness bis zum Kostensparen, Modernität und guter Laune. “Das Potential der Bewusstseinsbildung kann aber nur dann voll ausgeschöpft werden, wenn auch die Infrastruktur für das Gehen, Radfahren und das Angebot des Öffentlichen Verkehrs weiter konsequent verbessert und attraktiver gemacht wird”, so die Expert:innen.

Bewegungsaktive Mobilität in Österreich

Doch wie steht es um die bewegungsaktive Mobilität in Österreich und was regt die Menschen dazu an, auf verschiedene Formen dieser Mobilität umzusteigen? Am Beispiel Radfahren sieht man durchaus große Unterschiede bezüglich der Nutzung in den verschiedenen Bundesländern. Beispielsweise liegt der Radverkehrsanteil in Vorarlberg bei 16 Prozent, wohingegen dieser Wert österreichweit gerade einmal auf sieben Prozent kommt. Diese Diskrepanz zeigt sich auch bei den durchschnittlichen Kilometer pro Jahr und Person. Während in Vorarlberg pro Jahr 505 Kilometer mit dem Rad zurückgelegt werden, kommt man im Burgenland pro Person nur auf 150 Kilometer. Im Österreich-Schnitt sind es 265 Kilometer. Aber auch in der Bundeshauptstadt ist der Anteil an Radfahrenden seit Beginn der Pandemie gestiegen, wie der „Modal Split Wien 2021“ zeigt. Waren es im Vor-Corona-Jahr 2019 noch 7 Prozent, so ist der Anteil 2021 schon auf 9 Prozent angewachsen.

61 Prozent der mit dem Pkw zurückgelegten Wege sind unter 10 km. Diese Mobilität könnte mit dem Rad gefahren werden.
61 Prozent der mit dem Pkw zurückgelegten Wege sind unter 10 km und könnten mit dem Rad gefahren werden. Quelle: VCÖ (2017).

Von Vorarlberg bis Oulu: Best-Practice Beispiele aktiver Mobilität

Doch was führt dazu, dass in Vorarlberg der Anteil an Radfahrenden so viel höher ist? Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) nennt hier vor allem eine entsprechende physische und rechtliche Infrastruktur und Sicherheit als Voraussetzung. Um bewegungsaktive Mobilitätsformen zu fördern, brauche es auch ausreichend Platz und Absicherung für diese, sowie eine gute Erreichbarkeit essenzieller Infrastruktur (Schulen, Geschäfte etc.). Dass es hier sehr viel Potenzial gibt, zeigt auch eine Grafik des VCÖ, wonach 40 Prozent der mit dem Auto zurückgelegten Strecken kürzer als fünf Kilometer sind und somit leicht mit dem Rad zu bewältigen wären. Dabei würde man zudem auch die empfohlene tägliche Dosis an Bewegung bereits erfüllen und somit klimafreundliche Mobilität und Gesundheit kombinieren. Auch Verkehrsexpertin Zögernitz betont die Relevanz eines einfachen und praktischen Zugangs zu aktiven Mobilitätsformen, um die Beliebtheit ebendieser zu fördern: “Aktive Mobilität muss bequem und viel leichter zugänglich sein als motorisierter Individualverkehr. Als Beispiel: Das Fahrrad nicht im Keller über Stiegen raufschleppen müssen, sondern neben dem Wohnungseingang überdacht und ebenerdig bereit zur Abfahrt.” Zusätzlich brauche es gute Anbindungen, gesicherte, wettergeschützte und gepflegte Fahrrad-Abstellplätze an oft frequentierten Orten wie Sportplätzen und Schulen und ein Straßennetz, das in erster Linie Raum für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen schafft.

„Ob in Hinsicht auf die Umwelt, das Klima oder die menschliche Gesundheit – letztlich ist eines klar: Mobilität kann viel bewegen.“

Ein Schritt in die richtige Richtung ist in diesem Zusammenhang auch die 2022 beschlossene Novelle der österreichischen Straßenverkehrsordnung (StVO-Novelle). Diese bringt vor allem positive Änderungen für den Fuß- und Radverkehr und soll etwa die Sicherheit dieser Verkehrsteilnehmer*innen erhöhen. Die Novelle beinhaltet für Radfahrer*innen unter anderem eine ausgeweitete Öffnung von Einbahnstraßen oder auch Verbesserungen in der Regelung für das Nebeneinander- und in-Gruppen-fahren. Für Fußgänger*innen erleichternd: unter anderem ein Verbot des Vorbeifahrens an Öffi-Haltestellen, wenn gerade Personen aussteigen oder Ampelschaltungen, die auch vermehrt auf die Bedürfnisse von Fußgänger*innen zugeschnitten sind. “All das sendet das Signal, dass Fußverkehr und Autoverkehr gleichrangig sind”, so die AEA-Mobilitäts-Expert*innen. Zögernitz kritisiert jedoch, dass die Novelle gerade in Bezug auf Geschwindigkeitsbegrenzungen Chancen auf Änderung vergeben habe: etwa Tempo 30 im Ortsgebiet oder die Reduktion des Tempos auf Autobahnen und im Freiland, was zusätzlich mehr Sicherheit und weniger Lärm und Emissionen mit sich bringe. 

Ein in Zusammenhang mit Radfahren, Skateboarden und Co. ebenfalls häufig verwendetes Argument gegen diese bewegungsaktiven Mobilitätsformen ist das Wetter und die Kälte im Winter – es sei quasi nicht immer möglich, diese zu nutzen. Das dies sehr wohl möglich ist, zeigt die finnische Stadt Oulu. Dort sinkt der Radverkehrsanteil erst ab einer Temperatur von -20 °C signifikant und er wäre wahrscheinlich sogar dann noch höher als bei uns in Österreich im Bundesdurchschnitt. Wie schafft die mittelgroße Stadt Oulu das? Mit einem eigenen und sicheren Radwegenetz, das alle Stadtteile miteinander verbindet, regelmäßigen und verlässlichen Räumungen im Winter, projizierten Radwegmarkierungen in der Dunkelheit oder auch eigenen Unterführungen, um nicht mit dem motorisierten Verkehr in Berührung zu kommen (für Interessierte: Erklär-Video). 

Während es weltweit einige Vorreiter-Projekte gibt, ist die Mobilitätswende dennoch ein Vorhaben, zu dem jede*r Einzelne mit seinen und ihren Entscheidungen etwas beitragen kann. Im Themenfeld “Mobilität, Gesundheit und Bewegung” sind letztlich viele Ansätze zu verorten, die dabei helfen, die Klimakrise zu bekämpfen. “Es ergeben sich zahlreiche Synergien. Eine Stadt der kurzen Wege, radfreundlich auch in Richtung Umland aufgebaut, mit durchgängigem Fuß-, Rad- und ÖV-Netz, fördert Bewegung und ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Die soziale Komponente wird gestärkt. Tempo 30 fördert etwa nachbarschaftliche Beziehungen mit den Bewohnenden auf der anderen Straßenseite. Mobilität hat einen hohen Anteil an den Treibhausgasemissionen. Damit liegt hier ein wichtiger Teil der Lösung”, verweist Zögernitz auf die wechselseitigen Abhängigkeiten. Ob in Hinsicht auf die Umwelt, das Klima oder die menschliche Gesundheit – letztlich ist eines klar: Mobilität kann viel bewegen. 


*Das Interview mit den Mobilitäts-Expert*innen der Austrian Energy Agency (AEA) wurde mit Kathrin Chiu (Expertin für Kinder- und Jugendmobilität sowie für den Bereich Gesundheit und Mobilität) und Christoph Link (Fachbereichsleiter Mobilität in klimaaktiv mobil, der Klimaschutzinitiative des BMK im Mobilitätsbereichs sowie Forscher im Bereich nachhaltige Mobilität, Mobilitätsverhalten und energetische Aspekte der Mobilität) geführt.

*Die Antworten geben die Privatmeinung von Maria Zögernitz wieder. Sie ist beim Klimabündnis Österreich, Radlobby St. Pölten und Verkehrwende.at tätig.


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Maria Zögernitz nennt einige Best Practice Beispiele, die in Bezug auf gesundheits- und klimafreundliche Mobilität auf unterschiedlichen Ebenen Vorreiter für Österreich sein können:

Zivilgesellschaft/Einzelpersonen/Gruppen:

  • Verkehrswende-Initiativen wie: Absage Mönchsberggarage in Salzburg, Stopp S34-Bewegung in St. Pölten, Natur statt Beton – Lobau, Verkehrswende Jetzt, Radlobbys, Lebensraum Zukunft Lustenau etc.

Gemeinde:

  • Lustenau (Begegnungszonen vor Schulen mit Tempo 20)
  • Radverkehrsstädte wie Utrecht in Groningen in den Niederlanden

Land:

  • Vorarlberger ÖV-System
  • Radwegekonzept in der Steiermark als guter Ansatz für Flächenbundesländer

Staat:

  • Schweizer Schienenausbau und Güterverkehrsstrategie

Anm. der Autor*innen: Es wurde in diesem Artikel ein bewusster Fokus auf bewegungsaktive und öffentliche Mobilitätsformen gelegt. Ein zukunftsfähiges, klimaverträgliches Mobilitätskonzept für alle kann nicht durch die Elektrifizierung des motorisierten Individualverkehrs entstehen. In diesem Sinne kann E-Mobilität lediglich als Teil der Lösung, aber nicht als die Lösung selbst betrachtet werden.