Die Angst vor dem Klima – Was ist Climate Anxiety?

Die Angst vor dem Klima – Was ist Climate Anxiety?

Schilder auf Klimastreiks zeigen vor allem eines: Wut und Angst. Diese Angst hat in der Forschung jetzt auch einen Namen: climate anxiety – Klimaangst. Wie entsteht sie und was kann man dagegen tun? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir ein Gespräch mit dem Psychologiestudenten Leonhard Ditachmair geführt. Er ist Mitglied bei Psychologists4Future und erklärt, wie man den Symptomen entgegenwirken kann.

„Ich habe wirklich Angst vor den Auswirkungen der Klimakrise. Vor den steigenden Meeresspiegeln zum Beispiel. Ich fühle mich ohnmächtig, wenn ich daran denke, wie viel mehr wir für den Schutz unseres Planeten tun müssten. Aber ob das climate anxiety ist, weiß ich nicht“, vertraute mir eine Freundin vor kurzem an.

Was ist climate anxiety – zu Deutsch Klimaangst – eigentlich? Laut dem Fachmagazin „The Lancet“ versteht man darunter Angstgefühle, die im Zusammenhang mit der Klimakrise und Umweltkatastrophen stehen. Diese Emotionen können sich unterschiedlich auf unsere mentale Gesundheit auswirken. Symptome reichen über Schlaflosigkeit und Stress bis zu Panikattacken. Da es kaum Daten zu Klimaangst und Betroffenen gibt, lässt sich die Verbreitung aber nicht in Zahlen fassen.

Die Klimawissenschaftlerin Julie King erklärt etwa, dass Angst ein Urinstinkt des Menschen bei Bedrohungen ist. Anders als bei den meisten Bedrohungen verschwinde die Bedrohung durch den Klimawandel aber nicht. Deshalb könne die Angst immer wieder kommen.

Für Psychologiestudent Leonhard Ditachmair ist die entscheidende Frage, wie oft diese Angstzustände vorkämen. Man müsse unterscheiden, ob es einzelne Erfahrungen oder eine chronische Entwicklung sei.

Besonders vulnerabel sind all jene, die sich intensiv mit der Klimakrise beschäftigen. Zur sogenannten Risikogruppe zählen Aktivist*innen, Klimaforscher*innen und all jene, die sich viel mit der Klimakrise auseinandersetzen.

Im Fachmagazin „The Lancet“ wird zudem betont, dass bei Kindern und Jugendlichen häufiger solche Ängste beobachtet werden.

3 Schritte gegen die Angst

Was kann man aktiv gegen die Angst tun? „Die Antwort steckt schon in der Frage. Man muss aktiv werden gegen die Angst“, erklärt Ditachmair.

In der Psychologie werden oft drei Reaktionen auf Angst und Stress unterschieden: 

  • Freeze – die Schreckstarre
  • Fight – der Kampf
  • Flight – die Flucht

Gerade wenn man sich ohnmächtig und machtlos bei dem Gedanken an die Klimakrise fühlt, helfen die folgenden drei Schritte:

  1. Akzeptiere deine Gefühle. Nimm sie so an, wie sie sind.
  2. Gib den Gefühlen Platz, indem du darüber schreibst oder mit vertrauten Personen sprichst.
  3. Frage dich: Was kann ich konkret in meinem Umfeld tun? Hoffnung kommt durch Handeln, wie die Klimapsychologin Lea Dohm in einem Interview mit klimareporter.in sagt. So fühlst du dich weniger ohnmächtig und erfährst ein Gefühl der Selbstwirksamkeit.

„Wenn man seine Sorgen gemeinsam teilt, dann sorgt man sich einen Ticken weniger“, sagt zudem die Schülerin und Klimaaktivistin Raina Ivanova im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Auf einem Protestschild steht: "You will die of old age, we will die of climate change." Zu Deutsch: Du wirst an Altersschwäche sterben, wir am Klimawandel. Die meisten Protestschilder bei Klimastreiks zeigen vor allem eines: Wut und Angst. Ist das schon Climate Anxiety?

Das findet auch Ditachmair. Sich gemeinsam zu organisieren und den kollektiven Handlungsspielraum zu nutzen würde helfen, die Klimaangst zur Ressource zu machen. Wichtig sei, die Angst nicht zu unterdrücken.

Das kann auch durch Achtsamkeit gelingen – gerade wenn es um die eigenen Ressourcen geht. Wer Gutes für das eigene Wohlbefinden tut, tut meist auch Gutes fürs Klima.

Klimaangst im eigenen Umfeld

Die Organisation Psychologists4Future betont, dass Klimaangst keine individuelle Angst sei, sondern eine gesellschaftliche. In Anbetracht der Klimakrise sei sie sogar eine beinahe notwendige Reaktion.

Sollte man in seinem Umfeld bemerken, dass jemandem die Klimakrise schwer zu schaffen macht, ist auch hier der erste Schritt die Akzeptanz. Der betroffenen Person kann man aber eine Einladung aussprechen: Darüber zu reden und sich gemeinsam zu vernetzen.

Solltest du oder jemand in deinem Umfeld Unterstützung brauchen, kannst du dich an das Beratungsangebot von Psychologists4Future sowie an die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 (Deutschland) oder 142 (Österreich) wenden. Für Kinder und Jugendliche gibt es zudem Hilfe bei Rat auf Draht.


Wenn du mehr über Climate Anxiety wissen möchtest, empfehlen wir dir einen älteren aber immer noch aktuellen Beitrag unserer Redakteurin Inka Tucek.

Titelbild: Ron Lach | pexels