Die grüne Mauer vor Hallstatt – ein Schutzwald unter Druck

Die grüne Mauer vor Hallstatt – ein Schutzwald unter Druck

1,6 Millionen Hektar Schutzwald bewahrt Österreichs Gemeinden vor Hochwasser, Muren und Steinschlägen. Doch der Wald leidet zunehmend unter den Folgen der Erderhitzung. Dadurch könnten Naturgefahren in Zukunft öfter auch Orte wie Hallstatt treffen.

Ein Gastbeitrag von Clarissa Donati und Carina Jagersberger

Verlässt man die Fähre über den Hallstätter See, dauert es nicht lange, bis lautstarkes Stimmengewirr das Rauschen des Wassers übertönt. Es ist Hauptsaison in der Weltkulturerbe-Stadt: Tourist*innen aus aller Welt drängen sich vorbei an Souvenirläden und Restaurants durch die engen Gassen. Am Ortsrand werden die Straßen aber allmählich leerer – dort, am Ende einer Siedlungsstraße, lebt Norbert Meier. Mit seinem Hund neben ihm sitzt er auf einer schattigen Bank vor dem Haus und betrachtet den gegenüberliegenden Wald. Mit ruhiger Stimme erklärt er, dass er schon seit geraumer Zeit feststellt, wie der Wald unter dem Klimawandel leidet. Seit nunmehr 25 Jahren leitet er das 18.000 Hektar umfassende Forstrevier Hallstatts. Gerade in den letzten Jahren beobachtet er vermehrt Veränderungen in der Beschaffenheit des Waldes. Durch die zunehmende Trockenheit fällt es den Bäumen immer schwerer, ihre natürlichen Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehört unter anderem, CO2 in Sauerstoff umzuwandeln oder Lebensräume für heimische Tierarten bereitzustellen. Doch auch für die Einwohner*innen Hallstatts erfüllt der Wald eine essenzielle Funktion: Er schützt die Gemeinde vor Lawinen, Muren und Steinschlägen und sichert so das Bestehen des knapp 730-Seelen-Dorfes.

Hallstatt ist kein Einzelfall, sondern dient als Paradebeispiel dafür, wie wichtig gesunde Wälder für den Schutz von Lebens- und Wirtschaftsräumen sind. Der Mischwald oberhalb der Weltkulturerbestadt zählt zu jenen 1,6 Millionen Hektar Forstgebiet in Österreich, die als Schutzwald bezeichnet werden. Das entspricht 30 Prozent der gesamten Waldfläche des Landes.

Man sieht einige Bäume und im Hintergrund die Berge rund um das weniger touristische Hallstatt. Außerdem sieht man Teile des Schutzwaldes, der Hallstatt vor Naturgefahren schützt.
Eingekesselt vom Dachsteinmassiv unterliegt Hallstatt dem Schutz des Waldes. (Foto: Carina Jagersberger)

Wie der Wald vor Gefahren schützt

Im Winter hält das Blätterdach der Wälder bis zu 70 Prozent des Neuschnees auf und sorgt so für eine erheblich verkleinerte Lawinengefahr. Baumstämme stellen ganzjährig eine natürliche Barriere für Steinschlag dar. Die Wurzeln im Boden erhöhen dessen Wasserspeicherkapazität und vermindern so die Hochwassergefahr. Meier zufolge gibt es keinen besseren Schutz vor Bodenerosion als einen intakten Schutzwald. Beinahe jede vierte Person in Österreich profitiert von der vielseitigen Schutzfunktion des Waldes. Laut dem Landwirtschaftsministerium könnte knapp die Hälfte des Lebens- und Wirtschaftsraums in Österreich ohne diese Schutzwirkung nicht genutzt werden.

Die Zukunft der Schutzwälder betrachtet Förster Meier aber mit Sorge. Den Blick auf den Wald gegenüber des Hauses gerichtet, hält er kurz inne und sagt: “Das Spannende bei der Bewirtschaftung der Schutzwälder wird sein: Wie warm wird es im Schnitt wirklich?” Denn: Die stark ansteigenden Temperaturen machen dem Wald zunehmend zu schaffen. “Es trifft uns natürlich schon, auch bei der Auswahl der Baumarten.” Heimische Baumarten wie Fichte oder Tanne passen sich zu langsam an die sich stetig verändernden klimatischen Bedingungen an. Trockene Böden und vermehrter Schädlingsbefall erschweren zusätzlich hierzulande ansässigen Arten wie Fichte oder Buche das Überleben.

Maßnahmen zur Klimawandelanpassung

Also was tun? Gezielte Holzschlägerung erhöht den Lichteinfall im Wald. Dieser ist essentiell für die Entwicklung junger Bäume und trägt so zum Fortbestand eines gesunden Lebensraums bei. Da insbesondere klimafitte Baumarten wie Eibe oder Buche anfällig für Wildverbiss sind, zählt auch die Regulierung des Wildbestandes zu den Konservierungsmaßnahmen von Forstwirt*innen.

Ein langfristiges Ziel ist, eine möglichst diverse Zusammensetzung des Waldes zu erreichen: Werden viele verschiedene Baumarten kultiviert, tun sich Eindringlinge wie der Fichtenborkenkäfer schwerer. Dieser befällt ausschließlich Fichten; macht diese Baumart nur einen kleinen Teil des Waldes aus, findet der Borkenkäfer dort wenig Nahrung und kann sich nur schwer vermehren.

Auf dem Bild: Ein Baumstamm, auf dem man den Borkenkäferbefall sieht (ein kleines Loch in der Größe eines Stecknadelkopfs).
Die Löcher in diesem Baumstamm zeugen von Borkenkäferbefall. (Foto: Carina Jagersberger)

Auch alte Bäume sind ein Problem für den Schutzwald. Erreicht ein Baum ein Alter von 100 oder 140 Jahren, kann er seine Schutzfunktion nicht mehr erfüllen. Denn: Mit zunehmendem Alter steigt der Nährstoff- und Wasserbedarf eines Baumes – durch das vermehrte Auftreten von Trockenperioden kann dieser nicht mehr gedeckt werden. Das sieht man etwa bei der Fichte: Trugen Fichten in der jüngsten Vergangenheit etwa alle fünf bis sieben Jahre Zapfen, hat sich dieses Intervall mittlerweile auf drei Jahre verkürzt. “Das ist ein Zeichen, dass die Fichten  unter Stress stehen”, gibt Norbert Meier zu bedenken und zeigt auf eine karge Fichte unweit seines Hauses. Anhand der verstärkten Samenproduktion versuchen die Bäume ihre Fortpflanzung zu sichern, was einen erhöhten Energieverbrauch mit sich zieht. Ist der Boden zu trocken, wird es schwer den Nährstoffbedarf zu decken. Die Fichten halten dem oftmals nicht Stand und sterben ab.

Zukunft der Schutzwälder ungewiss

Inwiefern Österreichs Schutzwälder ihre Funktion auch in Zukunft erfüllen können, hängt vor allem davon ab, ob und wie schnell effektive Klimaschutzmaßnahmen implementiert werden. Norbert Meier gehen die Klimaschutzbestrebungen in Österreich bisher zu langsam voran. “Wenn es wirklich auf zweieinhalb oder drei Grad Durchschnittserwärmung hinaufgeht, glaube ich nicht, dass unsere Baumarten das schaffen.” Fest steht: Ohne einen gesunden Zukunftswald wird es jedenfalls schwer, die Klimakrise zu bewältigen.

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