Die Ernährungspolitik in Österreich wird derzeit einseitig gestaltet: Der Fokus liegt laut einer Studie der FH St. Pölten vor allem darauf, Bürger*innen mit Informationen zu versorgen. Gesundheitliche und nachhaltige Aspekte stehen oft im Hintergrund der Politik und der Industrie. Dabei könnten staatliche Regulierungen das österreichische Ernährungssystem nachhaltiger gestalten. Und jede*r Einzelne kann einen Beitrag leisten.
Der Ernährungssektor ist in Österreich für 20-30% der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dazu zählen die Landwirtschaft, Verarbeitung, Transport und die Lagerung von Lebensmitteln. Nachhaltige Ernährung zählt zu den wirksamsten Beiträgen, die wir als Konsument*innen zum Klimaschutz leisten können. Das muss aber für alle zugänglich und leistbar sein.
Mag. Ursula Trübswasser, Forschende an der FH St. Pölten im Department Gesundheit, nennt im Gespräch mit Klimareporter.in soziale Gerechtigkeit als wesentlichen Punkt: Ein gutes Ernährungssystem produziert gesunde und nachhaltige Lebensmittel, die auch soziale Aspekte in der Produktion berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise eine ausreichende Entlohnung, ein sicheres Arbeitsumfeld und faire Arbeitszeiten für Mitarbeitende. Auch bei der Preisgestaltung soll es fair für die Konsument*innen sein. Im Gespräch mit Dr. Christina Plank, die an der BOKU am Institut für Entwicklungsforschung tätig ist, fällt hier das Stichwort Demokratie. Alle Personen sollten gleichermaßen Zugang zu gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln haben.
Aktuelle politische Ansätze in Österreich
Österreichs Ernährungssystem stellt finanzielle Aspekte in den Vordergrund und ist stark von der Industrie geprägt: Hinter Vereinen, die Empfehlungen abgeben, stehen bedeutende Unternehmen der Lebensmittelindustrie. Außerdem fließen 80% der EU-Agrarfördergelder in große Betriebe, die industriell produzieren und auch Massenproduktion begünstigen. Kleine Landwirt*innen werden hingegen vernachlässigt. Gesundheit und Nachhaltigkeit spielen eine untergeordnete Rolle, meint Trübswasser. Zudem lenkt der starke Fokus auf Regionalität beispielsweise von wichtigeren Maßnahmen wie der Reduktion von Fleischkonsum ab.
Um ein höheres Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährung zu schaffen, setzt Österreich stark auf das Verbreiten von Informationen. Dazu zählen zum einen Ernährungsempfehlungen, Bildungsangebote oder Informationskampagnen. Beispielsweise werden vom Bundesministerium für Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Hülsenfrüchte als Alternative zu Fleischgerichten erwähnt. Vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie liegt eine Strategie zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen vor.
Initiativen zur Verbesserung der Ernährung
Konkrete Maßnahmen sind etwa Programme in Schulen und Kindergärten zur Gesundheitsförderung und Aufklärung sowie Initiativen wie der „Nationale Aktionsplan Ernährung“ (NAP.e), der auf einen Rückgang von Fehl- und Mangelernährung zielt. Zudem setzt sich auch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGES) dafür ein, Mensch, Pflanze, Tier und Umwelt zu vereinen und branchenübergreifend zu arbeiten. Zum Beispiel prüft sie Obst und Gemüse auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, um sicherzustellen, dass diese unter den gesetzlichen Grenzwerten bleiben.
Auch bei der “From Farm to Fork” Strategie auf EU-Ebene wird daran gearbeitet, die Interessen von Mensch und Umwelt zu verbinden. Die Strategie strebt an, den Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen. Dies fördert eine umweltfreundlichere Landwirtschaft, die weniger schädliche Auswirkungen auf Böden, Wasser und Ökosysteme hat und unterstützt Landwirt*innen bei der Umstellung auf nachhaltige Praktiken. Es braucht jedoch konkrete Steuerungen, die es auch der Bevölkerung leichter machen, auf gesunde und nachhaltige Lebensmittel zurückzugreifen.

Diese nationalen Regulierungen würden ein nachhaltigeres Ernährungssystem schaffen
- Fleischsteuer: Eine höhere Besteuerung von Fleischprodukten könnte Anreize schaffen, den Fleischkonsum zu reduzieren. Diese Mehreinnahmen könnten wiederum in die Förderung pflanzlicher Alternativen und nachhaltiger Landwirtschaft fließen.
- Vegetarisches Essen als Norm: In Kantinen sollte das vegetarische Menü als erstes aufgelistet und ausgegeben werden und zudem deutlich günstiger sein.
- Subventionierung nachhaltiger Lebensmittel: Eine adequate Subventionierung von Bioprodukten oder regionalen pflanzlichen Lebensmitteln könnte diese für Landwirt*innen attraktiver und für Konsument*innen zugänglicher machen.
- Lebensmittelkennzeichnung: Transparente und gut sichtbare Kennzeichnungen, die Informationen zur Nachhaltigkeit der Produktion (z.B. CO₂-Fußabdruck) aufzeigen, könnten das Konsumverhalten positiv beeinflussen.
Das kann jede*r Einzelne tun
Der Mythos, dass die Ernährung einzelner nichts am Großen und Ganzen ändern kann, hält sich stark. Jedoch erfordert ein Wandel im Ernährungssystem nicht nur politische Regulierungen, sondern auch das Engagement einer*s Jeden.
Hinterfragen der eigenen Ernährung
Ein erster Schritt ist es, sich konkret zu fragen, wo man einkauft und was man isst. Keine*r muss oder kann alles perfekt machen, wichtig ist es jedoch, sich aktiv damit auseinanderzusetzen: Man kann Artikel lesen, mit Freund*innen und Familie diskutieren und dabei langsame Aufklärungsarbeit leisten.
Alternative Einkaufsmodelle wählen
Um die Kapitalisierung des Ernährungssystems weniger zu unterstützen, kann man beispielsweise auf Märkten einkaufen gehen oder Teil einer solidarischen Landwirtschaft werden. Bei einer solidarischen Landwirtschaft bilden landwirtschaftliche Betriebe und private Haushalte eine Gemeinschaft, bei der die Haushalte einen monatlichen Beitrag zahlen und erhalten dabei im Gegenzug die Ernte. Die Haushalte garantieren also Vorfinanzierung und es entsteht keine Überproduktion/Lebensmittelverschwendung.
Lebensmittelabfälle reduzieren
53 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel entfallen in der EU auf Privathaushalte. In einem durchschnittlichen Haushalt ist das fast ein Viertel aller eingekauften Lebensmittel. Das muss sich ändern – es hilft, die Woche zu planen und nur das zu kaufen, was auf der Einkaufsliste steht. Außerdem: Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist kein Ablaufdatum. Die meisten Produkte kann man auch nach Überschreiten des MHDs noch problemlos essen – dabei kann man sich auf seine Geruchs- und Geschmackssinne verlassen.
Auf fleischlose/vegane Ernährung setzen
Fleischproduktion ist für den größten Teil der Emissionen innerhalb des Lebensmittelsektors verantwortlich. Pflanzliche Produkte sind 8-30 Mal klimafreundlicher als tierische Produkte und sollten deshalb der Hauptbestandteil jeder Ernährung sein. Auch gesundheitlich zahlt sich der Umstieg aus: So können laut Vereinten Nationen weltweit 11 Millionen Tote pro Jahr vermieden werden.
Für eine nachhaltige Ernährungspolitik müssen die Interessen von Mensch und Umwelt gleichwertig berücksichtigt werden, ohne hinter wirtschaftlichen Zielen zurückzustehen. Es braucht nationale Regulierungen für ein nachhaltiges und sozial gerechtes System, zu dem auch jede*r Einzelne einen Beitrag leisten kann.