Am 09. Juni wählen die Bürger*innen der EU ihre Vertreter*innen für das EU-Parlament. Rund 360 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Eines ist jetzt schon klar: Die Wahl entscheidet auch darüber, wie es mit dem Klimaschutz in der Europäischen Union weitergeht. Wir haben uns die Wahlprogramme der österreichischen Parteien angeschaut und erklären, was sie zum Thema Klima zu sagen haben.
von Jannik Hiddeßen und Theresa-Marie Stütz
Das Thema Klimaschutz steht nicht bei allen Parteien ganz oben auf der Prioritätenliste. Das zeigt sich schon beim ersten Blick in die Inhaltsverzeichnisse der österreichischen EU-Wahlprogramme. Bei den Grünen nimmt das Thema knapp ein Drittel des über 100 Seiten langen Wahlprogramms ein. ÖVP, NEOS und KPÖ widmen dem Thema jeweils ein eigenes Kapitel. Die FPÖ sogar zwei, wobei sich diese jeweils auf eine Seite beschränken. Bei der SPÖ ist Klimaschutz nur ein Unterpunkt im Kapitel „Leistbares Leben in einem sozialen Europa gestalten“. Die aus dem Coronademo-Milieu hervorgegangene DNA bietet kein ausformuliertes Wahlprogramm an. Sie fasst ihre klimapolitischen Forderungen aber auf ihrer Website in wenigen Stichpunkten zusammen. Die Partei distanziert sich von dem Begriff „Klimaschutz“ und spricht lieber von Umwelt- oder Naturschutz. Den Green Deal lehnt die Partei ab.
Mit dem European Green Deal will die EU einen klimaneutralen und ressourcenschonenden Kontinent schaffen. An der Positionierung zum Green Deal lässt sich daher einiges über die klimapolitischen Ambitionen der Parteien ablesen. Ein generelles Aus des Green Deal fordert zum Beispiel die FPÖ. SPÖ und Grüne begrüßen den EU Green Deal hingegen, ebenso die NEOS. Die ÖVP kritisiert, dass der Green Deal zu wenig auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen achte. Die KPÖ bringt andere Gründe gegen das Maßnahmenpaket vor: Sie bemängelt, dass der Green Deal sozial ungerecht sei.
Durch einen genaueren Blick in die Programme kristallisieren sich fünf Bereiche heraus, mit denen sich die österreichischen Parteien befassen:
Energie – Woher kommt der grüne Strom?
Besonders während der kalten Wintermonate wird der Energieverbrauch zu einem großen Thema. Durch den raschen Anstieg der Energiepreise vor zwei Jahren, wurde Energie immer mehr zu einem Luxusgut.
Grüne und NEOS kritisieren daher die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas. Auch der Ausbau von erneuerbarer Energie ist bei fast allen Parteien Thema: Abgesehen von der DNA sprechen sich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen dezidiert dafür aus.
Unterschiedliche Sichtweisen gibt es bei der Auswahl der Energieträger. Die FPÖ möchte den Ausbau der Atomkraft in der EU verhindern. Auch die Grünen sind gegen Nuklearenergie. Im Kampf gegen die Klimakrise wird Atomkraft oft als mögliches Hilfsmittel erachtet. Sie wird als grünere Alternative zu fossilen Energieträgern angesehen. Dennoch ist nukleare Energie nicht wirklich grün. In der Vor- und Nachbereitung von atomarer Energie werden CO2-Emissionen verursacht. Zudem ist der Rohstoff Uran, der dafür abgebaut wird, nicht erneuerbar.
Die ÖVP will den Wasserstoff ausbauen. Dieser soll zum Beispiel Auto-Treibstoffe oder Erdgas ersetzen und könnte auch als Energie-Speicher dienen. Allerdings ist die Herstellung teuer und ein Einsatz in großem Maßstab noch nicht realistisch.
Und die KPÖ fordert den Aus- und weiteren Aufbau eines öffentlichen Energie-Sektors. Demnach soll der Strom dem Staat gehören und jedem Haushalt ein Grundkontingent zur Verfügung stehen.
Die ÖVP hingegen möchte sich so wie die NEOS für einen optimierten EU-Binnenmarkt für Energie einsetzen. Ein solches Projekt ist in der EU schon längst in Arbeit und dessen Verwirklichung im EU-Recht bereits verankert.
Mobilität – Wie bewegen wir uns in Zukunft von A nach B?
Der Mobilitätssektor ist für ungefähr ein Fünftel der weltweiten Emissionen verantwortlich und ist auch deshalb einer der besonders heiß diskutierten Bereiche der Klimapolitik.
Auf EU-Ebene wirft zum Beispiel das geplante Verbot von Neuzulassungen von Autos mit Verbrenner-Motoren große Diskussionen auf. Die FPÖ spricht sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, den Beschluss rückgängig zu machen. Auch die ÖVP möchte die Neuzulassung von Verbrenner-Motoren über 2035 hinaus erlauben. Ein Rückzieher des Verbrenner-Aus erscheint angesichts der hohen Emissionen des Verkehrssektors kontraproduktiv.
In einem Aspekt sind sich die Parteien erstaunlich einig. Die Bahn soll gestärkt und deren Infrastruktur ausgebaut werden. Die ÖVP fordert dabei einen Abbau von Bürokratie im Bahnverkehr und möchte den Wettbewerb für private Bahnanbieter erleichtern. Die KPÖ hingegen möchte die Privatisierung vermeiden. Sie sieht den „Liberalisierungswahn“ als Gefahr für den Ausbau des Bahnverkehrs. Die SPÖ fordert ein Schnellzugsystem zwischen allen europäischen Hauptstädten. Bei den Grünen geht es vor allem um die Leistbarkeit der Bahn, dazu möchten sie einen europäischen Preisdeckel für Zugtickets einführen. Der Preis soll bei maximal 10 Cent pro Kilometer liegen.
Mehrfach wird der Vergleich zwischen Bahn und Flugzeug gezogen. Die SPÖ fordert in diesem Kontext die Einführung einer Kerosinsteuer. Grüne und KPÖ sprechen sich für ein Verbot von Privatjets aus.
In den Wahlprogrammen der NEOS und der DNA sucht man das Thema Mobilität vergeblich.
Technologie – Die beste Klima-Lösung?
Das Thema Technologie im Klimaschutz ist ein heiß diskutiertes. Immer wieder hört man das Argument, dass der technologische Fortschritt Erfindungen bringen werde, die die Klimakrise aufhalten könnten. Im Hinblick auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens reichen Technologien aber nicht. In erster Linie braucht es drastische Reduktionsmaßnahmen und strukturelles Umdenken.
Dennoch fordert die ÖVP mehr „Offenheit für Technologien und Innovationen“. Sie möchte, dass das Land Österreich Vorreiter in der Herstellung von Klimaschutztechnologien wird. Gemeinsam mit den NEOS ist die Österreichische Volkspartei ein Befürworter von Carbon Capture and Storage (CCS). Darunter versteht man Technologien, die CO2 aus der Atmosphäre filtern oder direkt am Entstehungsort abfangen und einspeichern. Die NEOS fordern auch mehr Forschung und Entwicklung im Bereich grüner Technologien. Im Gegensatz zur ÖVP sehen sie diese aber nur als einen Teil der Lösung an.
Auch die Grünen thematisieren in ihrem Wahlprogramm grüne Technologien. Sie fordern ein Investitionsprogramm für nachhaltige Produktion in der Industrie. Die EU soll gewährleisten, dass zum Beispiel Rotorblätter für Windräder, Solarzellen oder Gebäudeisolierungen möglichst ressourcen- und energiearm hergestellt sowie repariert werden können.
Wirtschaft – Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s dem Klima gut?
Beim Thema Wirtschaft gehen die Meinungen stark auseinander. Die einen pochen darauf, dass bestehende Wirtschaftsverhältnisse geschützt werden, um Dinge wie Arbeitsplätze, Wohlstand sowie Produktion und Handel zu erhalten. Die anderen schlagen ressourcenschonendere Wirtschaftsmodelle vor, die nicht mehr nur am Wachstum orientiert sind. Sie wollen Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Wohlstand in der Gesellschaft neu denken. Diese konträren Positionen spiegeln sich auch in den Parteiprogrammen wider.
Wie bereits erwähnt, legen die NEOS großen Wert auf die Entwicklung von Klimaschutz-Technologien. Einen weiteren Lösungsansatz sehen sie in einem einheitlichen CO2-Preis. Die Idee dahinter: Liegt der Preis hoch genug, macht er klimaschädliche Aktivitäten unattraktiv.
Die SPÖ legt den Fokus auf sozial gerechten Klimaschutz. Ein EU-Transformationsfond soll den Klimaschutz in der EU finanzieren und die einzelnen Staaten entlasten. Unter Einbeziehung der Gewerkschaften soll außerdem ein sogenannter Just Transition-Rechtsrahmen erarbeitet werden. Dieser soll klare Regeln schaffen, um Arbeitnehmer*innen gegenüber den Auswirkungen von Klimakrise und Klimaschutzmaßnahmen sozial abzusichern.
Biodiversität – Klima- und Naturschutz gehen Hand in Hand
Biodiversität bedeutet, dass in der Natur viele verschiedene Tiere und Pflanzen leben. Die Biodiversität zu schützen heißt, dass man diesen Lebewesen nicht noch mehr Lebensraum wegnimmt und ihre Vielfalt erhält. Grünen und SPÖ setzen sich in ihren Wahlprogrammen für mehr Biodiversität ein.
So sagen die Grünen, dass die EU 90% aller „ambitionierten Renaturierungsprojekte” fördern solle. Außerdem fordern sie, wie auch die SPÖ, dass Glyphosat und andere Pflanzenvernichtungsmittel verboten werden sollen.
In den anderen EU-Wahlprogrammen spielt die Biodiversität keine Rolle. Im Hinblick auf die voranschreitende Erderwärmung überraschend. Nach Global 2000 können sich durch die schnelle Klimaerhitzung viele Pflanzen- und Tierarten nicht rasch genug anpassen. Biodiverse Lebensräume helfen uns außerdem im Kampf gegen die Klimakrise, da sie CO2 speichern und resilienter gegen die Auswirkungen der Klimakrise sind.