Klimaschutz: I am Greta – „I don‘t care“

Klimaschutz: I am Greta – „I don‘t care“

Was sagt eine Jugendliche aus ökonomisch schwachen und bildungsfernen Verhältnissen zur Umweltikone Greta Thunberg? Eindrücke von außerhalb der Öko-Bubble nach einem Kino-Besuch des Films „I am Greta“.  

„Welchen Film sehen wir uns eigentlich an?“

„I am Greta“, sage ich. „Du weißt schon, die junge aus Schweden, die auch die Schulstreiks für das Klima in die Welt gerufen hat.“

Meine Antwort stößt auf Schnaufen und Augenrollen. Seit vier Jahren betreue ich ein heute 13-jähriges Mädchen mit Migrationshintergrund aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen. Wir lernen gemeinsam, manchmal gehen wir ins Kino, ins Museum oder auf den Eislaufplatz. Mit „I am Greta“, dem neuen Dokumentarfilm über Greta Thunberg, will ich ihre Aufmerksamkeit für die Klimathematik gewinnen. Doch die Begeisterung hält sich in Grenzen. Auch bei den anderen BesucherInnen – wir betreten einen leeren Kinosaal.

Es gibt keinen zweiten Planeten.

„Hat deine Klasse schon einmal bei einem Schülerklimastreik mitgemacht?“

„Nein, in meiner Schule interessiert man sich nicht dafür, und ich habe auch andere Probleme. Es nervt, dass überall nur Greta zu sehen ist“, sagt sie – kauend auf ihrem Plastikstrohhalm. Ich nehme einen Schluck aus meiner Aluminiumtrinkflasche und denke an meinen letzten Klimastreik zurück. Ja, als Studentin und durch die finanzielle Unterstützung meiner Eltern habe ich Zeit und Muße, mich für die dringlichsten Problemen der Welt zu engagieren.

Greta Thunberg auf einem Segelboot
(Quelle: https://www.iamgreta.ch/)

Eindrücke aus dem Film „I am Greta“

Der Film beginnt. Szenen von brennenden Wäldern, gequälten Tieren, Hurrikans und überschwemmten Straßen, stoßen auf ein schockiertes Gesicht. Ich werde mit entsetzten Augen angesehen. „Das ist ja schlimm“, flüstert sie mir zu.

Der Film geht weiter. Greta erzählt von ihrer „Klima-Depression“, von Ausgegrenztheit, Appetitverlust und Einsamkeit. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Greta zustimmend zugenickt wird.

Der Film endet. Ich frage, ob sie jetzt ein anderes Bild von Greta hat, ob sie sympathisieren konnte. Sie erzählt mir, dass sie Greta zustimmt und verstehen kann. „Ich weiß genau wie Greta sich fühlt; ich habe auch oft Zweifel und fühle mich komplett allein gelassen; ich habe oft keinen Hunger und denke, es ist alles aussichtslos. Bei mir hat das andere Gründe, aber ich verstehe, warum sie so über das Klima denkt“.

Wir verlassen den Kinosaal. Ich hebe die leere Popcorn–Packung und den ausgetrunkenen Softdrink vom Boden auf, die meine mitgebrachten Snacks übertrumpften. Es ist mir unangenehm, mit so viel selbst produziertem Müll den Kinosaal zu verlassen. Jedoch bin ich diejenige, die sich schämen sollte. Etliche Sprach- und Bildungsreisen im nahen und fernen Ausland belasten meinen viel zu großen ökologischen Fußabdruck.

Umwelteinstellung und soziale Milieus

In „I am Greta“ beteuert die junge und einflussreiche Klimaaktivistin, dass sie so aktiv sein kann, weil es ihr wohlstandsmäßig gut gehe. Greta appelliert daher an die westliche Welt, für die Klimakrise größere Verantwortung zu übernehmen. Die heutige Kinoerfahrung verdeutlicht mir einmal mehr, dass es auch gravierende soziale Unterschiede in der industrialisierten Welt gibt.

Eine Studie des deutschen Umweltbundesamtes hat erstmalig in einem Industrieland den Pro – Kopf Verbrauch natürlicher Ressourcen nach Bevölkerungsgruppe (sozialem Milieu) analysiert. Das Ergebnis zeigt, dass jene Menschen mit der positivsten Umwelteinstellung einen sehr hohen Verbrauch an natürlichen Ressourcen haben. Dieser erklärt sich durch ihr soziales Milieu und dessen Standards. Umgekehrt ist es bei Menschen, mit einer negativen Umwelteinstellung, aus dem prekären sozialen Milieu.

Diese Erkenntnis soll die Klimakrise und ihre Dringlichkeit zur Aktion keinesfalls verharmlosen. Einen Blick aus der Öko-Bubble hinauszuwagen, zeigt mir die Notwendigkeit, meinen eigenen Klimaaktionismus in Sprache, Art, Inklusion und Zugänglichkeit stets zu hinterfragen.