In welcher Bubble lebst du?

In welcher Bubble lebst du?

Unterschiedliche Menschen vertreten unterschiedliche Meinungen, das kennen die meisten von uns. Komisch mag es erscheinen, wenn plötzlich das ganze Internet deine Meinung teilt oder sich für ähnliche Themen interessiert wie du. Oft erscheint es, als würden wir, besonders in der digitalen Welt, innerhalb einer Blase leben – gefüllt mit Menschen, die unsere Vorstellungen teilen. Auch im Kontext der Klimabewegung fällt immer wieder der Begriff der „grünen Bubble“. Was es damit, mit Echokammern und mit Filterblasen im Allgemeinen auf sich hat, wollen wir hier genauer beleuchten.

Von Filterblasen und Echokammern

Der US-amerikanische Tech-Unternehmer und Aktivist Eli Pariser war einer der ersten, der den Begriff der ‚Filterblase‘ verwendete. Im Jahr 2011 veröffentlichte er das Buch „The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You“ („Die Filterblase: Was das Internet vor dir versteckt“). Zunächst bezog er den Begriff der Filterblase auf Suchmaschinenergebnisse, die gezielt, also je nach Interessen, ausgeworfen wurden. Wenig später, mit dem Boom der Social Media-Plattformen, bekam der Begriff eine neue Bedeutung. Nun weitete er sich auch auf vorgeschlagene Inhalte in den sozialen Medien und dem damit begrenzten Horizont der Nutzer*innen aus.

Heute versucht die Kommunikationswissenschaft zwischen den Begriffen Echokammer und Filterblase zu unterscheiden, wobei dies wegen fehlender allgemeingültiger Definitionen nicht so einfach ist. Eine Echokammer entsteht, wenn sich eine Gruppe von Menschen miteinander vernetzt und dadurch andere Menschen ausgeschlossen werden. Dies geschieht durch Followings oder Gruppenbeitritte auf diversen sozialen Plattformen. Innerhalb einer Filterblase hingegen kommunizieren Menschen vermehrt miteinander und schließen dabei die Meinungen von außerhalb aus. Echokammern und Filterblasen können zeitgleich auftreten, müssen das aber nicht zwingend.

Unterstützt wird dieses Phänomen von Algorithmen, die unter anderem von sozialen Medien verwendet werden. Ein Algorithmus kann gezielt ausgewählte Inhalte anzeigen oder auch gezielt Inhalte verschweigen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie so ein Algorithmus programmiert sein kann. Oftmals werden Inhalte angezeigt, die uns thematisch interessieren, da wir in der Vergangenheit ähnliche Beiträge geliked oder kommentiert haben. Es werden auch Inhalte angezeigt, die Menschen in unserem engeren Umfeld besonders gefallen. Inhalte, die hingegen schnell weggeklickt werden, werden zukünftig weniger oder gar nicht mehr ausgespielt. Dies kann dazu führen, dass wir beispielsweise vermehrt Menschen folgen, die unsere Interessen und Meinungen in einem Themenbereich teilen, da der Algorithmus uns eben genau diese vorschlägt.

Wo liegt hier das Problem?

In der Vielfalt liegt das Potential. Sehen wir nur Inhalte, die unseren Interessen entsprechen und unsere Meinung stärken, kann das negative Konsequenzen haben. Wir werden dazu verleitet, stur in eine Richtung zu denken, ohne nach links und rechts zu schauen. Indem sich Menschen beispielsweise in den politischen Randgruppen in ihrer Meinung gegenseitig bekräftigen, besteht die Gefahr des Verlusts gesellschaftlichen Zusammenhalts. In seiner Abschiedsrede warnte sogar der ehemalige US-Präsident Barack Obama, dass es für zu viele von uns sicherer geworden ist, sich in unsere eigenen Filterblasen zurückzuziehen, anstatt sich mit abweichenden Perspektiven auseinanderzusetzen.

Dieses „out of the box thinking“ ist bedeutsam, um die eigene Meinung reflektieren und hinterfragen zu können. Denn wer kennt es nicht, hat man sich erst einmal in sein Gegenüber hineinversetzt und die Perspektive gewechselt, erscheinen die Dinge plötzlich klarer. Gleichzeitig betont der australische Medienwissenschaftler Axel Bruns, dass auch gesellschaftliche, soziale und ökonomische Gründe für die Polarisierung verantwortlich sind, die man in Betracht ziehen muss. Ansonsten läuft man Gefahr, dem technischen Determinismus zu verfallen. Es wäre jedoch verkürzt und zu einfach, die Technologie als einzige Ursache für Polarisierung zu verteufeln.

Ganz viele Menschen in Spielfigur sind zu sehen. Der Rand des Bildes ist verblasst, so wie in der Filterbubble oft die Ränder verblasst sind und man nur noch seine eigenen Interessen zugespielt bekommt.
Wer zu sehr in seiner eigenen Filterbubble lebt, sieht einen Teil der Welt verschwommen oder nimmt ihn gar nicht mehr wahr. Foto: https://pixabay.com/

Die grüne Bubble

Im Kontext der Klimakrise fällt gelegentlich der Ausdruck der „grünen Bubble“. Damit sind Menschen gemeint, die sich für Klimaschutz und -gerechtigkeit engagieren. Diese setzen sich intensiv mit den dazugehörigen Thematiken auseinander und vernetzen sich primär unter Gleichgesinnten. Positiv ist hierbei, dass sie sich gegenseitig bestärken und empowern können – gerade bei einem so existentiellen und mitunter belastenden Thema wie der Klimakrise. Der Nachteil liegt jedoch ebenso auf der Hand: Der Austausch mit Menschen anderer, vielleicht klimaschutz-kritischer Meinungen fehlt. Diese fühlen sich mitunter ausgeschlossen oder vor den Kopf gestoßen – von einer Umweltschutzbewegung, mit der sie nichts zu verbinden scheint. Ein Zustand, der nicht bloß kontraproduktiv für eine möglichst große und vielfältige Klimaschutzbewegung ist, sondern auch schlichtweg auf falschen Annahmen fußt, da die Klimakrise jede*n Einzelne*n von uns betrifft.

Wie kann man (digitalen) Filterblasen entgegenwirken?

Auch wenn der wissenschaftliche Diskurs sich diesbezüglich noch nicht einig ist, kann es sich durchaus so anfühlen, als wäre das digitale Selbst in einer Filterblase gefangen. Wenn du deinen Horizont erweitern möchtest, empfehlen wir dir folgende Schritte:

  1. Reflektiere! Nimm zunächst einmal aufmerksam wahr, welche Inhalte dir angezeigt werden und wie du dazu stehst. Es kann helfen aufzuschreiben, welche Themen du heute auf TikTok, Instagram und Co. gesehen hast. So schaffst du Klarheit bezüglich deiner Sehgewohnheiten auf Social Media. 
  2. Perspektivenwechsel! Wie werden Inhalte von Menschen in anderen Ausgangssituationen gesehen?  Suche gezielt nach gegenteiligen Meinungen und lies dir ihre Argumentation durch. Damit ist natürlich nicht gemeint, durch Kommentare von Social-Media-Trollen zu scrollen, bis du innerlich brodelst. Recherchiere lieber wie sich ein Medium, von dem du ansonsten keine Beiträge liest, oder ein*e Politiker*in, der*dem du nicht bereits Jahre lang folgst, zu einem Thema äußert.
    Hilfreich für den Perspektivenwechsel können auch Dienste wie Buzzard sein, welche dir Beiträge zu diversen, aktuellen Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zusammentragen und sortieren.
  3. “Out of the box” mit dir! Versuche bewusst auch mal Beiträge anzusehen, die nicht ganz oben in deinem Feed zu finden sind. Vielleicht scrollst du heute weiter hinunter und lässt dich überraschen, welche Inhalte dich dort erwarten. Möglicherweise findest du hier Themen, die dir neue Impulse geben oder spannende Ideen ermöglichen.

Durch’s Red‘n kommen d´Leut zam

Triffst du auf eine Person, die viele deiner Ansichten teilt, kann das zugegebenermaßen angenehm sein – unkompliziert, bestärkend. Einem Menschen zu begegnen, der deinen Werten hingegen widerspricht, kann sich als kräftezehrend, aufwühlend oder gar angsteinflößend herausstellen. Es ist daher verständlich, dass nicht jede*r tagtäglich die Kraft, Zeit oder emotionalen Ressourcen dafür aufbringen kann und will, um anderen Meinungen aktiv zu begegnen und in den Diskurs einzutreten.

Kommen wir jedoch kaum in Kontakt mit anderweitigen Ideen und Ansichten, bleiben wir in unserem gemütlichen Hamsterrad gefangen. Im Kontext der Klimakrise, die eine kollektive Anstrengung der gesamten Menschheit fordert, ist das keine zukunftsträchtige Option. Ein erster Schritt, um den Austausch diverser Meinungen zu ermöglichen, wäre dabei mitzuhelfen, eine konstruktive Streit- und Diskussionskultur vorzuleben. Also unterschiedlichen Ansichten Platz zu gewähren, ohne dass die Beteiligten sich gegenseitig auf ihre „Fehler“ reduzieren. Wir benötigen Wege zum Dialog auf Augenhöhe, anstatt zu verhärteten Fronten. Dann gelingt es auch eher, den Blick auf strukturelle Probleme zu richten, anstatt in individuellen Anfeindungen zu verharren.

Folglich gilt: Je mehr Menschen, aus verschiedenen Branchen und mit verschiedenen Meinungen, sich mit Klimagerechtigkeit und Umweltschutz auseinandersetzen, desto besser. Nur wenn wir aufeinander zugehen, können neue, kreative Lösungsmöglichkeiten gefunden und eine Krise bewältigt werden, die uns bereits heute vor nie da gewesene Herausforderungen stellt. Daher gilt – ganz egal ob digital oder analog – raus aus der eigenen (grünen) Bubble und hinein in den Dialog!