Klimakrise und indigene Völker: Lateinamerika

Klimakrise und indigene Völker: Lateinamerika

Indigene Völker haben schon immer einen wichtigen Beitrag zum Erhalt verschiedenster Ökosysteme geleistet, ob aus wirtschaftlichen, kulturellen oder religiösen Gründen, und tun dies auch gegen die Klimakrise. Durch den Widerstand indigener Völker konnte bereits eine Vielzahl an Entwaldung verhindert und wertvolle Ökosysteme vor Ausbeutung bewahrt werden. Wieso sind die indigenen Völker Lateinamerikas so wichtig?

In diesem Artikel möchte ich darüber berichten, warum der Erhalt der durch indigene Völker verwalteten Gebiete zu einer Reduktion der Treibhausgase und dem Erhalt der Ökosysteme und Biodiversität beiträgt und wie dieser gewährleistet werden könnte. Doch zuvor möchte ich noch kurz darauf eingehen, wieso es so wichtig ist, die Rechte indigener Völker in Bezug auf ihre Lebensgrundlage zu fördern, denn in Länder wie Südamerika kann es gefährlich sein, für seine Rechte einzustehen. Hierfür möchte ich die Ergebnisse von der lateinamerikanischen Organisation Tierra de Resistantes präsentieren, welche das Ziel verfolgt die Gewalt gegen Umweltaktivist*innen aufzudecken.

Doch zunächst einmal, was sind indigene Völker genau und wie sind sie von der Klimakrise betroffen?

Der Begriff „Indigene“ oder „indigene Völker“ sind die heute international anerkannten Begriffe für Menschen oder Völker die:

  • Nachfahren von Menschen sind, welche eine Region zum ersten Mal bevölkert haben,
  • im Laufe der Geschichte von anderen Völkern kolonialisiert wurden und aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet vertrieben wurden,
  • die sich von der nationalen Gesellschaft bezüglich ihrer Selbstidentifikation und ihren ethischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen Lebensformen unterscheiden.

Weltweit gibt es etwa 5000 verschiedene indigene Völker. Da sie oftmals in sehr sensiblen Ökosystemen wie Wüstenrändern, Urwäldern, Gebirgen und vor allem kleineren Inseln leben, sind indigene Völker besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen.

Umweltaktivismus in Lateinamerika

Nirgends auf der Welt sind Umweltaktivist*innen so gefährdet wie in Lateinamerika. 6 von den 10 gefährlichsten Ländern für Umweltaktivist*innen liegen laut dem UN-Bericht 2016 in Lateinamerika. Aus diesem Grund wurde das Datenjournalismus Projekt Tierra de Resistentes (Land der Widerständigen) von einer Gruppe von Journalist*innen des kolumbianischen Netzwerks Consejo de Redaccion ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist es, das Schicksal bedrohter und getöteter Umweltaktivist*innen aufzudecken, als Datenbank für Medienschaffende zu dienen und Muster hinter den Gewalttaten aufzudecken.

Zwischen 2009 und 2019 dokumentierte Tierra de Resistentes 2 367 Gewalttaten an Umweltaktivist*innen, 500 davon waren Morde. Die meisten Fälle wurden im Amazonasgebiet verzeichnet, da sich indigene Völker der Wälder beispielsweise Interessen der Ölförderungen, Rodungen, Berg- und Straßenbau oder dem Tourismus entgegenstellten. Die Landrechte indigener Gemeinschaften werden oft von Großunternehmern und der Regierung ignoriert, die Lebensgrundlagen der Gemeinschaften zerstört. In 48 Prozent der Fälle richtete sich die Gewalt gegen Personen, welche indigenen Völkern angehörten.

Nicht nur aus ethischer Sicht finde ich es wichtig indigenen Völkern Schutzgebiete zuzuweisen, welche sie selbst verwalten können, auch aus ökologischer Sicht hätte dies positive Auswirkungen auf unser Klima. Denn eine amerikanische Umweltschutzorganisation zeigte, dass die Landnutzung durch indigene Völker einen großen Beitrag zum Senken der Treibhausgase leisten kann.

Sonnenuntergang irgendwo in Lateinamerika

Project Drawdown: Lösungsansätze gegen die Klimakrise – Konservation dank indigener Völker

Die amerikanische NGO Project Drawdown hat eine Sammlung praktisch umsetzbarer Maßnahmen erstellt, welche den menschengemachten Klimawandel rückgängig machen können. Die Organisation wurde im Jahr 2014 von Umweltschützer Paul Hawken gegründet, mit dem Ziel Drawdown zu erreichen. Das ist eine Bezeichnung für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, an welchem die Treibhausgaswerte in unserer Atmosphäre nicht mehr ansteigen, sondern zu sinken beginnen. Die Organisation hat eine Liste von 100 Lösungen erstellt, durch welche sich Drawdown innerhalb von 30 Jahren erreichen lassen könnte, unter der Voraussetzung, dass auf globaler Ebene zusammengearbeitet wird.

Auf ihrer Website findet man eine Liste dieser 100 Lösungen, mit einer Übersicht darüber, wie viele Gigatonnen CO2-Äquivalent damit bis 2050 reduziert werden könnten und wie viel die Umsetzung dieser Lösung kosten würde. CO2-Äquivalent ist eine Einheit, welche beschreibt, wie hoch der Beitrag eines Gases zum Treibhauseffekt ist. Das Treibhauspotenzial eines Gases wird im Verhältnis von CO2 angegeben, daher auch der Name CO2-Äquivalent. Vorgestellte Lösungen findet man in allen möglichen Bereichen wie beispielsweise der Nahrungsmittelindustrie, erneuerbaren Energien, Mobilität, Elektrizität und dem nachhaltigen Bauen von Gebäuden. Unter den Top 20 von Project Drawdown vorgestellten Lösungen stehen 12 in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der Art und Weise wie wir Land nutzen. Dabei geht es vor allem um die Nahrungsmittelindustrie, für welche Waldflächen und Urwälder gerodet werden, damit Acker- und Weideland erschlossen werden können.

Natürliche CO2-Senken wie Meere, Erdböden und Wälder können nur 41 Prozent der Treibhausgase aufnehmen, der Rest verbleibt in der Atmosphäre. Laut Project Drawdown ist daher vor allem der Erhalt der Wälder besonders wichtig. Dies kann beispielsweise durch die Landnutzung indigene Völker gewährleistet werden.

Landnutzung durch indigene Völker und Auswirkungen auf die Klimakrise

Als eine der Lösungen, welche die Freisetzung von Treibhausgasen langfristig verhindert, stellt Project Drawdown die Landnutzung durch indigene Völker vor. Denn traditionelle Landnutzungssysteme indigener Völker sind weitaus nachhaltiger als konventionelle Landwirtschaftspraktiken. Dazu zählt beispielsweise die Nutzungen der Flächen durch Brandrodungen, Hausgärten und Agroforstwirtschaften. Außerdem wird die biologische Diversität erhalten und auch die Kohlenstoffbindungsraten sind höher.

Derzeit befinden sich ungefähr 486 Millionen Hektar Land in der Obhut indigener Völker. Laut Project Drawdown könnte mit einem Anstieg um 995 bis 1141 Millionen durch indigene Völker verwaltete Flächen bis 2050 zwischen 8,7 und 12,9 Gigatonnen Emissionen CO2-Äquivalent durch die Vermeidung von Entwaldung eingespart werden. Zusätzlich würden 232 Gigatonnen gebundener Kohlenstoff gebunden werden.

Der Erhalt von Wäldern und durch indigene Gesellschaften verwalteter Gebiete können also eine Menge an CO2 einsparen und als Kohlenstoffsenke dienen, indem CO2 in der Erdoberfläche und den Wäldern gebunden wird. Doch viele der durch indigene Völker bewirtschafteten Landflächen werden lediglich durch Gewohnheitsrecht respektiert, sie haben keine Eigentumsrechte daran.

Eine Hütte steht auf Pfähler in einem Fluss

Was sind die Voraussetzungen dafür, dass dieser Lösungsweg in die Realität umgesetzt werden könnte?

Vor allem geht es um die Sicherung der Rechte der indigenen Völker. Zum Teil sind diese bereits in der UN-Erklärung und in der ILO-Konvention verankert, wurden jedoch vor allem von Staaten, in welchen indigene Völker leben, nicht anerkannt. Es bräuchte vor allem auf nationaler Ebene rechtlich abgesicherte Schutzgebiete, welche Rodungen, den Abbau von Rohstoffen und das Vordringen von Siedlungen verhindern. Des Weiteren wäre es wichtig, indigene Völker an Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen und Ressourcenausbeutungen zu stoppen.

Project Drawdown empfiehlt Flächen, welche durch indigene Völker verwaltet werden, bis 2050 auf das Doppelte zu erhöhen. Es gibt zwar kein international bindendes Rechtsinstrument, welches Staaten zum Schutz indigener Rechte verpflichtet, trotzdem gab es in den vergangenen Jahren einige Verbesserungen. Im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beispielsweise gibt es eine Plattform für lokale Gemeinschaften und indigene Völker, die indigene Rechte berücksichtigen und Wissen in die Entwicklung von Klimaschutzstrategien einfließen lassen.

Was kannst Du gegen die Klimakrise und für indigene Völker tun?

Auch unser Konsum trägt zur Vertreibung und Ausbeutung indigener Völker bei, beispielsweise durch die Abholzung des Amazons für Güter der Agrarindustrie oder den Abbau von Lithium in Südamerika und die damit einhergehenden Vertreibung lokaler Bevölkerung.

Daher sollten wir uns immer darüber im Klaren sein, wie sich unser Konsum auswirkt. Versuche deine elektronischen Geräte solange wie möglich zu verwenden, da die in ihnen erhaltenen seltenen Erden wie beispielsweise Lithium zu über 70 Prozent aus Südamerika kommen. Achte auch darauf, regional einzukaufen und informiere dich über die Herkunft der Produkte, die du konsumierst. So unterstützt du nicht nur die lokale Wirtschaft, sondern kannst auch dazu beitragen, Ausbeutungen in Lateinamerika zu verringern und sparst außerdem CO2 durch kürzere Transportwege.

Quellen:

http://www.indigene.de/76.html?&L=1

https://www.wwf.de/themen-projekte/menschen-und-naturschutz/arbeit-mit-indigenen-eine-uebersicht/arbeit-mit-indigenen-in-suedamerika/

https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/klimakrise–der-kampf-indigener-voelker-gegen-die-zerstoerung-der-natur-9426044.html

https://nachhaltigkeit-seminar.blogspot.com/2020/04/project-drawdown-landnutzung-durch.html

https://wocatpedia.net/images/archive/1/10/20131008095453!2011-OE2400-2011-dt-indigene-Voelker-Klimapolitik.pdf

https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/klimakrise–der-kampf-indigener-voelker-gegen-die-zerstoerung-der-natur-9426044.html

https://bauforumstahl.de/wissen/nachhaltigkeit/nachhaltigkeit-glossar/co2-aequivalent/#