Kaum ein anderes Thema hat beim diesjährigen Klimagipfel in Glasgow so viel Aufmerksamkeit bekommen wie jenes der Finanzierung. Die Eindämmung sowie die Anpassung an die Folgen des Klimawandels verursachen Kosten in Milliardenhöhe. Noch teurer wird es, wenn die Staatengemeinschaft tatenlos zusieht und der Klimawandel viele der heute am dichtest besiedelten Regionen unbewohnbar macht. Die Frage, wer die Kosten tragen soll, blieb auch bei der COP26 ein strittiges Thema.
Welche Rolle spielt Klimafinanzierung?
Das Programm der UK-Präsidentschaft startete nach dem zweitägigen World Leaders Summit mit dem Thema ‚Finance‘. Eine geregelte Finanzierung ist Voraussetzung für die Umsetzung bei der Anpassung und Eindämmung der Folgen des Klimawandels. Auffällig ist, dass der Finanzwelt, insbesondere dem privaten Sektor, als Hebel in der Klimakrise viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So eröffnete die US-Finanzministerin und Ökonomin Janet Yellen den ‚Finance-Day‘ mit folgenden Worten: „Addressing climate change is the greatest economic opportunity of our time“. Erneuerbare Energien sind auf dem Markt mittlerweile tatsächlich die kostengünstigste und ertragreichste Option. Immer mehr Zentralbanken berechnen die Gefahren der Klimakrise in ihre Stresstests mit ein und der Anteil an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten steigt kontinuierlich.
Doch Kosten schrecken viele ab, vor allem diejenigen, die dafür aufkommen müssen. Selten wird im Finanzierungsdiskus darüber gesprochen, welche Kosten der Klimawandel aktuell schon verursacht. Das griff der italienische Premier und ehemalige Chef der europäischen Zentralbank Mario Draghi auf und erwähnte in seiner Eröffnungsrede, dass sich die aktuellen Kosten des Klimawandels auf jährlich circa 319 Milliarden USD belaufen würden. Wenn nicht mehr Geld in Anpassung und Eindämmung fließe, steigen die Kosten der Klimawandelfolgen jährlich exponentiell an.
Der Globale Norden trägt eine historische Verantwortung
Die Länder und Personen, denen der Klimawandel schon heute die Lebensgrundlagen raubt, sind jene Länder, die historisch gesehen am wenigsten Treibhausgase pro Kopf emittiert haben. Deswegen fordern viele Länder des Globalen Südens, dass die Industrienationen die Kosten der Klimakrise zu einem Großteil übernehmen sollten. Wirtschaftsstarke Industrienationen vermeiden es hingegen die ‚Büchse der Pandora‘ zu öffnen und wollen keine Finanzierung für verlorene Lebensgrundlagen, im Klimankonferenz-Jargon ‚Loss and Damage‘ genannt, übernehmen. Vor diesem Hintergrund vermeidet China es zum Beispiel, trotz hohem Bruttoinlandsprodukt als Industrienation bezeichnet zu werden, um ja nicht in die Rolle einer zahlenden Nation zu kommen.
Schon bei der COP15 in Kopenhagen (2009) einigte sich die Staatengemeinschaft darauf, ab 2020 bis (vorerst) 2025 jährlich 100 Milliarden USD für Klimaanpassung und Schutzmaßnahmen im Globalen Süden zu lukrieren. Laut Schätzungen der OECD wird dieses Versprechen, wenn überhaupt, erst im Jahr 2023 erreicht. Im Vorfeld zur COP26 wurde mit dem Climate Finance Delivery versucht, mehr Klarheit über die Beitragszahlungen zu schaffen. Viele Industrieländer erhöhten demnach ihren Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung. Jedoch basiert ein Großteil dieser Finanzierung auf Krediten, die teils sehr hohe, oft zweistellige Zinsraten haben. „Bedingungsloses“ Geld hingegen ist Mangelware. Doch genau das wäre nötig, um im in vielen Ländern die Lebensgrundlagen zu schützen.
Welchen Beitrag leistet Österreich?
Während etliche Industriestaaten ihren Beitrag zur internationalen Klimafinanzierung im Vorfeld zur COP26 erhöhten, reiste Bundeskanzler Alexander Schallenberg mit leeren Händen nach Glasgow. Zwar hat Österreich seinen Beitrag zum Green Climate Fund von 30 Millionen auf insgesamt knapp 130 Millionen für die Periode von 2020 bis 2025 erhöht, jedoch müsste ein so wohlhabendes Land wie Österreich einen weitaus höheren Beitrag leisten. Deutschland hat seinen Beitrag etwa von vier auf sechs Milliarden Euro jährlich bis 2025 aufgestockt. Pro Kopf ist das ein Vielfaches des Beitrags von Österreich.
Zudem liegt die aktuelle Bepreisung von CO2 nach Einführung der ökosozialen Steuerreform mit 30€ pro Tonne weit unter dem international geforderten Durchschnittspreis. Kristalina Iwanowa Georgiewa, geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds, plädierte auf der Klimakonferenz für einen Durchschnittspreis von mindestens 75 USD pro Tonne (umgerechnet circa 65€ pro Tonne). Darüber hinaus war ihre Message eindeutig: „75 USD is the global average – rich countries need to price carbon even higher“.
Was hat die COP26 in Bezug auf Klimafinanzierung vorangebracht?
Es stimmt positiv, dass neoklassische Finanzinstitutionen die Gefahr des Klimawandels – wenn auch nur die ökonomische – erkennen. Denn die Finanzwelt ist für die reale Wirtschaft richtungsweisend und hat eine große Lenkungswirkung. Würden beispielsweise Investitionen in klimaschädliche Projekte eingestellt werden, weil sie unrentabel werden oder aufgrund staatlicher Regulierungen verboten würden, dann würden wir uns viel schneller dem Pariser Klimaziel nähern. Bedauerlicherweise werden fossile Energien und Kohle vor allem von erdölexportierenden Ländern weiterhin stark subventioniert. Und das, obwohl erneuerbare Energien einen viel höheren ‚Return on Investment‘ erzielen würden, sich also besser rentieren. Das verzerrt den Markt und gibt der Realwirtschaft falsche Anreizstrukturen. Darüber hinaus wurde bei den Verhandlungen zu ‚Loss and Damage‘ keine Einigung erzielt. Einem dringend notwendigen Fonds zur finanziellen Unterstützung nach Klimakatastrophen stimmten die Industrienationen nicht zu. Menschen in Notlagen werden dadurch im Stich gelassen.
Aus der Perspektive der Jugend fordern wir, dass die realen Kosten der Klimakrise endlich in ökonomische Indikatoren einberechnet werden, und dass Industriestaaten sich solidarisch mit den Ländern zeigen, denen der Klimawandel heute schon die Lebensgrundlagen raubt.