Warum sich Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nicht trennen lassen

Warum sich Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nicht trennen lassen

Nachrichten und Diskussionen über Protestaktionen häufen sich. Es gibt durchaus unterschiedliche Meinung darüber, ob das Festkleben an Straßen oder das Bewerfen von Gemälden mit Essen angemessene und zielführende Strategien im Kampf gegen die Klimakrise sind. Da sind sich offenbar auch die verschiedenen Organisationen uneins. Eine Sache haben sie trotzdem gemeinsam: den Kampf gegen die Klimakrise. Wir stellen euch drei Klimaaktivist*innen vor.

Smilla Buschbom ist Schülerin der 10. Schulstufe und Sprecherin beim Jugendrat. Der Schwerpunkt der Jugendorganisation ist der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und für mehr Mitbestimmung von jungen Menschen. Smilla erklärt: „Unser Ziel ist eine klimagerechte Welt. Außerdem sind wir auch klar feministisch und wollen das Bildungssystem verbessern, zum Beispiel durch Schüler*innenkomitees.“

Auf die Frage nach ihrem Einstieg in den Klimaaktivismus, erzählt sie, dass ein Satz aus einem YouTube-Video für sie sehr prägend war: „Ich würde gerne in der Zukunft noch mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen können und wissen, dass ich genug getan habe.“ Das war der Punkt, an dem sie begonnen hat, sich intensiver mit der Klimakrise auseinanderzusetzen. Bei der örtlichen Fridays for Future-Gruppe fand sie schnell Anschluss und wurde aktiv.

Klimaaktivist*innen demonstrieren für soziale Gerechtigkeit. Es sind viele Streikschilder zu sehen.
Unter dem Slogan Fridays For Future entstanden auch in Wien Schulstreiks und
Protestaktionen für globale Klimagerechtigkeit und das Einhalten des Pariser Klimaabkommens. Foto: System Change not Climate Change

Der Weg zum Jugendrat war für sie dann recht logisch: „Ich finde es ganz wichtig, dass man Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbindet. Das lässt sich meiner Meinung nach nicht trennen.“ Die Klimakatastrophe trifft vor allem ärmere Länder und den globalen Süden. Die Intensität der drohenden Katastrophe ist dort heute schon zu spüren. Smillas Antrieb ist eine lebenswerte Zukunft für alle. Sie sagt, ihr Wunsch sei es, auch mit 80 Jahren noch in einer Welt zu leben, die nicht kurz vor dem Kollaps steht. Wie sie den Aktivismus und ihre schulischen Verpflichtungen unter eine Hut bekommt? „Das weiß ich auch nicht ganz”, antwortet sie und lacht dabei. Ihr Engagement für das Klima aufzugeben, ist für sie aber keine Option.

Ziviler Ungehorsam als Notwendigkeit

Hans* ist 21 Jahre alt, wohnt und studiert in Wien. Er gehört keiner Organisation an, agiert also autonom und möchte lieber anonym bleiben. Hans engagiert sich vor allem auf Demonstrationen und war auch Teil der Lobau-bleibt-Bewegung. Er meint: „Ich habe Klimaschutz schon ganz stark von meinen Eltern mitbekommen, aber erst seit Fridays for Future in Österreich so groß wurde, engagiere ich mich aktiv.“

Links fahren Autos auf der Autoahn, rechts eine große Gruppe Radfahrer*innen. Klimaschutz ist auch soziale Gerechtigkeit für sie.
Demonstrationen mit dem Rad stehen in Wien mehrmals monatlich auf dem Plan.
Dafür werden häufig auch vielbefahrene Straßen, wie hier die Reichsbrücke im 2. Bezirk, gesperrt. Foto: System Change not Climate Change

Seine Erfahrungen bei „Lobau bleibt“, haben ihn nachhaltig geprägt: „Bis ‘Lobau bleibt’ war ich der Überzeugung, dass Proteste und Petitionen reichen werden, aber da habe ich dann gemerkt, dass es mehr braucht.“ Hans erzählt, dass er sich im Zuge dieser Gruppierung durch zivilen Ungehorsam radikalisiert habe. „Ich glaube, für die Klimabewegung ist es sehr wichtig, dass es auch zivilen Ungehorsam gibt.“ Vor allem der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe und das Aufeinander-Schauen hätten ihn sehr beeindruckt: „Das Gefühl, nicht allein zu sein, obwohl man die anderen vielleicht gar nicht kennt, war wirklich sehr schön.“

Hans sagt: „Klimaschutz ist mir wichtig, weil es ums Überleben geht. Dieser Sommer hat gezeigt, welche Auswirkungen die Klimakrise hat. Eine lebenswerte Zukunft für alle nachkommenden Generationen ist meine Motivation.“ Für ihn ist Klimaaktivismus untrennbar mit Politik verbunden. „Dieser kapitalistische Ansatz, dass jeder für sich am meisten profitiert, muss hinterfragt werden. Es braucht einen Systemwechsel.“

*Name durch die Redaktion geändert

Wieso werden sie nicht gehört?

Judith Brocza ist Mutter von drei Kindern und kümmert sich bei „Parents for Future“ um Community-Anliegen. Die Organisation wurde gegründet, um „Fridays for Future“ den Rücken freizuhalten und sie zu unterstützen. Judith erklärt: „Wir schauen, dass wir bei den großen Klimademos natürlich immer dabei sind,  haben aber auch eigene Dinge auf die Beine gestellt.“ Sie gibt aber auch zu: „Das letzte Jahr ist sehr viel Zeit und Energie in die Lobau-bleibt-Bewegung geflossen. Da sind unsere anderen Engagements ein bisschen liegen geblieben.“

Judith Brocza in oranger Jacke und Warnweste demonstriert für die monatliche Radeln for Future Raddemo in Wien. Klimaschutz ist für sie auch soziale Gerechtigkeit.
Judith organisiert ganz unterschiedliche Aktionen,
zum Beispiel die monatliche “Radeln for Future”-Raddemo in Wien. Foto: Judith Brocza, privat

Einen Großteil ihrer Freizeit widmet Judith dem Aktivismus, doch sie ist überzeugt, dass es ihre Verpflichtung ist, etwas zu tun: „Ich kann nicht einfach nur schauen, dass es mir gut geht und ich eine schöne Zeit verbringe. Das finde ich mittlerweile total sinnentleert. Das kann nicht der Lebensinhalt sein. Das ist grenzenlos egoistisch. Vor allem, weil das die Generation ist, die auch verantwortlich ist für den ganzen Dreck.“

Ihre Motivation ist der Wunsch nach einer lebenswerten Zukunft für alle jungen Menschen: „Was mich immer wieder aufs Neue antreibt, sind die jungen Leute. Es ist ganz schlimm zu erleben, wie verzweifelt manche jungen Aktivist*innen sind.“ In besonderer Erinnerung ist Judith eine Rede eines jungen Mädchens bei einer Fridays for Future-Demo geblieben: „Das hat mich sehr berührt. Die sprechen die Wahrheit aus, die haben Angst um ihre Zukunft. Wieso werden die nicht gehört?“


Titelbild: System Change not Climate Change