Beitragsbild Bildnachweis: Außenfassade KUNST HAUS WIEN © Paul Bauer
Solltest du die Ausstellung im Kunst Haus Wien nicht gesehen haben oder sie noch einmal Revue passieren lassen wollen, habe ich hier meine Eindrücke für dich zusammengefasst. Zu Abbildungen der erwähnten Werke geht es über einen Klick auf den hervorgehobenen Werktitel.
Wien/Kunst Haus │ Bis zum 5. April 2021 lief im Kunst Haus Wien die Herbstausstellung Nach uns die Sintflut. Mit dem Wasser als verbindendes Element, stellt die Ausstellung die Kunst dem Klima gegenüber und lässt sie interagieren. Sie versammelt starke Positionen, die ästhetisch und doch schonungslos die klimatischen Transformationen und Krisen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufzeigen – emotional, deutlich und leicht begreiflich. Zwischen Gletscherspalten, Überflutung und Dürre steht hier das wachsende Bewusstsein für globale Katastrophen und Zerstörung, als Auswirkung der Klimaveränderung und menschlicher Eingriffe in empfindliche Ökosysteme.
The End und doch der Anfang. Weiße Schrift auf arktisweißem Styroporgrund. Justin Brice Guariglias Werk eröffnet beim Eintritt in die Ausstellung den Blick auf weiß blendende Endzeitvorstellungen. Die Ansicht prägt die Stimmung für den Rest des Rundgangs. In Kooperation mit dem NASA-Projekt „Oceans Melting Greenland“ entstanden, weist der fotografierte Eisflächenhintergrund auf die grönländische Eisschmelze, durch die stetig wärmer werdenden Ozeane, hin.
Haltlose Bäume – von aufgetauten Permafrostböden bis zu Überschwemmungen
Der Kontrast von Kälte und Wärme, von Eis und Feuer finden die Ausstellungsbesucher*innen auch in Methane Experiment, den Fotografien von Benedikt Partenheimer. So ästhetisch wie die schwebende Flamme über der Eisfläche scheint, so bedenklich ist doch ihr Ursprung. Durch das Auftauen von mehrere tausend Jahre alten Permafrostböden entweicht CO2 und Methan – sichtbar gemacht durch das Anzünden. Die Klimaerwärmung ist dabei sowohl Ursache als auch Konsequenz. Doch tauende Permafrostböden haben auch das Einsinken von Bäumen zur Folge, die folglich ihren Halt verlieren. Drunken Trees: Fotografien abgesunkener Bäume, die in unterschiedlichen Kippwinkeln Richtung Himmel zeigen.
Dass haltlose Bäume nicht nur ein Phänomen der Permafrost-Region sind, zeigt die Arbeit von Anastasia Samoylova. Im sonnigen Miami hält die Künstlerin in ihrer Arbeit FloodZone fotografisch eine gefährdete Küstenstadt fest. Samoylova fixiert Anzeichen einer klimatisch drastischen Entwicklung. Eine städtische Scheinidylle, die zunehmend von Überschwemmungen durch den steigenden Meeresspiegel betroffen ist. Die Schnittstelle zwischen Klimaschutz und Kunst verortet Samoylova in einem Künstlerstatement des Kunst Haus Wien folgendermaßen: „I don´t think art can save the climate directly. But I know that our attention is currency and if it´s directed towards things that matter it can affect change“.
Verschwindende Gletscher – Einzelbild-Panorama des Gepatschferners
„Ich sitze hier vor dem Gepatschferner. Das ist der zweitgrößte Gletscher, den es in Österreich noch gibt […]. Ist mit einer wunderschönen Wanderung in zwei Stunden erreichbar und wird jedes Jahr um circa fünf bis zehn Meter kürzer.“ Mit diesen Worten spricht Michael Goldgruber in einem Künstlerportrait des Kunst Haus Wien über sein Werk. Talschuss: zehn Meter, 420 Einzelbilder. Von einem Punkt aus fotografiert, in künstlerischer Freiheit zu einem Panorama zusammengesetzt. „Diese Konstruiertheit interessiert mich. Genauso wie ich durch die Fragmentierung auch auf das Fragile einer Gebirgslandschaft hinweisen kann.“ Das Fehlen von Teilen und die Grenzverwischung des Panoramas scheint auf das zunehmende Verschwinden des Gletschers hinzudeuten.
#ArtStrike – Museale Solidarität mit Klimaschutz-Bewegungen
Die Solidarität von Nach uns die Sintflut und dem Kunst Haus Wien mit Klimaschutz-Bewegungen zeigte sich beim weltweiten Klimastreik am 17. März 2021. Im Rahmen von „Museums for Future“ und der Initiative #ArtStrike verhüllte ein dunkelgrünes Tuch die Fotografie Berger á Wuwei von Benoit Aquin, aus dessen Serie The Chinese Dust Bowl.
Aquins Fotoprojekt hebt das zunehmende Austrocknen weiter Landstriche im ost- und zentralasiatischen Raum, wie China und der Mongolei, hervor. Ebenso beruhigende wie bedrohliche Beige- und Brauntöne wirken beinahe wie die dystopische Zukunftsvision eines Science-Fiction-Films. Die Betrachter*innen merken jedoch schnell, dass es sich bei der bröckelnden Wüste und dem allgegenwärtigen Sandstaub um harte Realität handelt. Als Folge von Bodenübernutzung und exzessiver Landwirtschaft treten Dürre, Sandstürme oder auch Ernteausfälle auf. Eine Gefahr nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Mensch und seine Gesundheit.
Die hochaktuelle Ausstellung beweist damit einmal mehr, dass die dargestellten Probleme nicht nur in Vergangenheit und Zukunft liegen, sondern im Moment passieren. Hinter ästhetisch anziehenden Bildoberflächen verbergen sich Problematiken wie Flut, Dürre, Leid, Verbauung und Klimaerwärmung. Am Schnittpunkt von Klima, Kunst und Krise steht dabei immer noch der Mensch, der nicht nur durch seine Kunst, das Bewusstsein für die Klimakrise steigern kann.
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Zum Weiterlesen für Ausstellungsinteressierte: Der Blog-Beitrag von Klimareporter.in Nora über die interaktive Ausstellung “Un-tragbar”, die sich lösungsorientiert mit der Wegwerfgesellschaft und den Auswirkungen unseres Mode-Konsums auseinandersetzt