Den Durchblick behalten rund um Glyphosat

Den Durchblick behalten rund um Glyphosat

Rund um Glyphosat scheint es nicht ruhig zu werden. Seit nunmehr 5 Jahren ist das Thema aus der Medienlandschaft nicht mehr weg zu denken. Regelmäßige Schlagzeilen und unterschiedliche Stellungnahmen machen es schwer den Durchblick zu behalten. Hier möchte ich nun Ansetzen und versuchen etwas Licht in die Geschehnisse rund um Glyphosat zu bringen.

Fakten über Glyphosat

Glyphosat ist ein Unkrautvernichter, welcher unselektiv Pflanzen abtötet (alle behandelten Pflanzen sterben also) und 1974 durch Monsanto auf den US – Markt eingeführt wurde. „Roundup“ war das erste Pestizid mit Glyphosat als Wirkstoff, welches mittlerweile das meist verkaufte Pestizid der Welt ist. Fun Fakt: Glyphosat wurde ursprünglich als Rohrreiniger eingesetzt. Monsanto zählt seit 2018 zu Bayer, einem deutschen Unternehmen. Mittlerweile zählt die Chemieindustrie zu dem drittgrößten Industriezweiges Deutschlands (nach Automobil und Maschinenbau). Europaweit liegt die deutsche Chemieindustrie auf Platz 1. In der EU wurde das Pestizid 2002 zum Einsatz zugelassen.   

In Österreich wird Glyphosat übrigens nicht in Soja Kulturen wie in Südamerika als Totalherbizid und in Verbindung mit genmanipulierten Pflanzen verwendet (töten also alle Pflanzen, außer die gewollten Sojabohnen welche genetisch verändert wurden). Hierzulande wird es vor allem mit der Aussaat gespritzt und hindert somit Unkraut am Wachstum. Besonders häufig kommt es bei Mais und Kornanbau zum Einsatz aber auch beim Obstbau. Auch die ÖBB verwendet Glyphosat, um ihre Schienen frei von Unkraut zu halten. Weltweit werden aber 90% für die Landwirtschaft verwendet. 2014 wurde auf 32 % der landwirtschaftlichen Fläche Österreichs Glyphosat angewandt, Tendenz steigend.

Die Zulassung von Glyphosat

Um erklären zu können, was rund um Glyphosat geschehen ist, muss man in der Zeit zurück gehen. Nicht ganz zu den Anfängen, denn die würden in die USA in das Jahr 1972 führen. Beginnen wir also mit den Geschehnissen auf europäischer Ebene. Für die Zulassung von Chemikalien gilt der Grundsatz nachdem Hersteller mit Studien beweisen müssen, dass ihr Produkt keine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellt. Die Studien zur Überprüfung werden durch den Hersteller, in von ihnen ausgewählten Labors, oder selbst durchgeführt.

Eine wichtige Rolle in der Geschichte der Zulassung von Glyphosat spielten vor allem 5 Krebsstudien an Mäusen des Herstellers. Die Ergebnisse dieser Studien wurden 2015 für eine Wiederzulassung von Glyphosat dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vorgelegt, dieses Institut sollte als unabhängige Stelle die Ergebnisse prüfen. Die Zulassungsbehörde kam zu dem Schluss der Unkrautvernichter sei weder Krebserregend, noch DNA- oder Fruchtbarkeitsschädigend. Im selben Jahr geht die International Agency for Research on Cancer der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit einem anderen Ergebnis an die Öffentlichkeit: „Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend und genotoxisch (DNA-schädigend)“. Wait what? Wie können zwei Institutionen so unterschiedliche Ergebnisse erhalten? Vereinfacht erklärt: eine unterschiedliche “Interpretation” der Ergebnisse. Der BfR gibt im Nachhinein zu, sich auf die statistischen Auswertungen von Monsanto selbst verlassen zu haben. Während die IARC eigenständig einen statistischen Trend Test durchführte. In Folge darauf zieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach, und erklärt Glyphosat als nicht krebserregend.
2016 war das Jahr der Abstimmung über die Erneuerung der EU-weiten Zulassung von Glyphosat. Die Abstimmung wurde immer wieder verschoben, da sich die Mitgliedstaaten auf keine Mehrheit einigen konnten. In diesem Jahr kam es zu zahlreichen Skandalen, die zum Vorschein brachten, wie undurchsichtig und inakzeptabel dieses Zulassungssystem ist. Trotz großem Erfolg der Bürgerinitiative „Stop glyphosate“ (1,3 Millionen UnterstützerInnen) und schwerwiegenden Vorwürfen an der Richtigkeit der zur Bewertung herangezogenen Studien kam es 2017 zu einer erneuten Zulassung für Glyphosat in der EU um 5 Jahre. 2022 läuft die Genehmigung für das Pestizid ab. Im Dezember 2019 hat die „Glyphosate Renewal Group“ (ein Zusammenschluss von 9 Pestizidherstellern unter Führung von Bayer) jedoch bereits eine Neuzulassung für weitere 15 Jahre beantragt.

Nun dürfte man annehmen, dass wenn Behörden, die für die Wahrung der Gesundheit der Menschen in Europa zuständig sind sagen, dass Glyphosat unbedenklich ist, dies vertrauenswürdig ist. Nicht ganz, denn nach und nach wird deutlich wie viel Macht die Konzern, die von dem wirtschaftlichen Erfolg eines Pestizids abhängig sind, haben. Für die Hersteller hat sich dieses System als sehr ergiebig erwiesen, für die Zivilgesellschaft jedoch eher weniger. An dieser Stelle wäre ursprünglich eine Liste zweifelhafter Ereignisse rund um Glyphosat gekommen, diese würde aber wie ich nach der Zeit feststellte, den Umfang dieses Artikels sprengen. Vor kurzem kamen erneut neue Betrugsfälle aus Deutschland zum Vorschein. Ein Labor in Hamburg ist durch die investigative Arbeit eines Aktivisten negativ zu Bekanntheit gekommen. Dieser hat Betrugsfälle aufgedeckt. Ungewollte Studienergebnisse, die nach „good labatory practise“ (GLP, wurde eingeführt um Betrug ausschließen zu können) durchgeführt wurden, sind gefälscht worden und tote Versuchstiere durch lebende ersetzt worden. Wie nun bekannt wurde sind unter den 150 Studien aus diesem Labor auch 24 Glyphosat Studien dabei. Diese wurden unter anderem 2017 bei dem Zulassungsverfahren bei Glyphosat in der EU zur Bewertung herangezogen.

Die aktuelle Situation (in Österreich)

Im Juli 2019 brachte die SPÖ einen Antrag für ein Glyphosat-Verbot in den Nationalrat ein, dieser bekam eine mehrheitliche Zustimmung. Die ÖVP stimmte als einzige Partei dagegen. Nachdem in dem Zeitraum für Einsprüche seitens der EU kein Veto kam, sah alles nach einem Verbot in Österreich von Glyphosat mit 2020 aus. Jedoch hat die damalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein das Glyphosat-Verbot aufgrund eines unrechtmäßigen Notifizierungs Vorganges schlussendlich nicht kundgemacht (das Gesetz hätte zuerst als Entwurf an die Kommission geschickt werden müssen). Im Dezember 2019 wurde dann im Parlament mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS ein österreichisches Glyphosat-Verbot erneut bekräftigt. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, umgehend einen gleichlautenden Gesetzestext wie im bisherigen Glyphosat-Verbot neu zur Notifizierung nach Brüssel zu schicken, nur dieses Mal als “Vorschlag” tituliert (Aufhebung des Formaljuristischen Fehlers). Hier hätte die Europäische Kommission und andere Mitgliedstaaten wiederum 3 Monate Zeit das Gesetz zu prüfen und Einspruch in Form einer “ausführlichen Stellungnahme” zu erheben, wie 2019 schon. Bisher wurde dem demokratischen Willen des Parlaments allerdings nicht Folge geleistet. Inhaltlich zuständig ist dafür die neue Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. In der Vergangenheit wurde die Unterstützung der ÖVP für Glyphosat bereits mehrmals deutlich. Ein zukünftiges Verbot, welches derzeit also in den Händen genau dieser Partei liegt, ist daher eher unwahrscheinlich.

Was kann ich persönlich tun ?

  • Unterstütze die Europäische BürgerInneninitiative „Save Bees and Farmers“. Diese fordert den Schrittweisen Ausstieg aus synthetischen Pestiziden bis 2030 um 80% und einen kompletten Ausstieg bis 2035. Die Wiederherstellung der Biodiversität und  Unterstützung für Bauern bei einem Umstieg. Bei 1 Million Unterschriften werden die Forderungen zur europäischen Kommission gebracht und haben tatsächlich die Chance die gemeinsame europäische Agrarpolitik zu beeinflussen.
  • Unterstütze Bauern, die auf Pestizide verzichten und Insekten freundlich Landwirtschaft betreiben. Dies ist normalerweise bei Bio-Produkten der Fall, im Ökolandbau sind Pestizide nämlich verboten.  
  • Rede mit Leuten darüber was du weißt. Viele scheuen sich über dieses Thema zu sprechen weil sie das Gefühl haben sich nicht auszukennen und etwas falsches zu sagen. Es ist wichtig, dass dieses Thema eine breite gesellschaftliche Aufmerksamkeit bekommt. Als KonsumentInnen sind wir eine mächtige Instanz uns gegen die Macht von Großkonzerne zu wehren. 

Hier ein paar weiterführende Tipps:

  • Die Akte Glyphosat (Buch)
  • Das Wunder von Mals (Film)
  • Unser täglich Gift (Buch)

Quellen:

Die Datengrundlage für diesen Artikel stammen hauptsächlich aus dem Buch „die Akte Glyphosat“ von Helmut Burtscher-Schaden und aus persönlichen Gesprächen mit diesem. Helmut ist Biochemiker und arbeitet seit 2001 bei Global 2000.

https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2019-07/glyphosatverbot-oesterreich-unkrautvernichter-bayer-monsanto-eu-recht

https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2881177/

https://kontrast.at/glyphosat/