Factcheck: Warum der Mensch das Klima beeinflusst

Factcheck: Warum der Mensch das Klima beeinflusst

Am Donnerstag, den 6.12.2018 erschien im STANDARD ein Interview mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), in dem er sich neben verschiedensten tagespolitischen Themen auch zum Klimawandel geäußert hat. Auf die Frage der Redaktion, was die Regierung gegen den Klimawandel tun wolle, antwortete Strache:

Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage. Klimaveränderungen gibt es seit Jahrtausenden. Die Sahara war einmal die Kornkammer Roms und ist dann zur Wüste geworden. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab. Es gibt Prozesse, die Erkältung und Erwärmungen herbeiführen in Zackenbewegungen, wo auch die Wissenschaft nicht weiß, wohin wir uns entwickeln.

Selbst mit sehr wenig Wissen über den Klimawandel kann dieses Zitat relativ leicht als falsch eingestuft werden. Strache bringt sich mit seinen Aussagen klar auf eine Linie mit KlimawandelleugnerInnen, wie beispielsweise Donald Trump. Doch selbst wenn vielen intuitiv sofort klar ist, dass dieses Zitat nicht haltbar ist, fällt es möglicherweise schwer, zu argumentieren, warum das so ist. Deshalb werden in diesem Text die Aussagen, die Strache getätigt hat, eine nach der anderen unter die Lupe genommen.

1. „Inwieweit der Mensch das Klima beeinflussen kann, ist eine offene Frage.“

Im Vergleich zu den meisten anderen Forschungsfeldern herrscht in der Klimawandelforschung mit 97% ein extrem großer Konsens. Die Wissenschaft ist sich einig, dass der Mensch durch sein Handeln die Schuld an der beschleunigten Erderwärmung trägt. Das sagt unter anderem der Meteorologe Markus Wadsak in der Zeit im Bild. Auch die Fact-Checking-Site Fakt = Fakt erklärt diese Aussage für falsch.

2. „Klimaveränderungen gibt es seit Jahrtausenden.“

Das stimmt. Genaugenommen gibt es sie sogar schon seit Jahrmillionen. Das Klima auf der Erde hat sich in der Vergangenheit immer wieder erwärmt und abgekühlt, teilweise auch stärker als das jetzt der Fall ist. Aber diesmal gibt es einen wichtigen Unterschied: der aktuelle Klimawandel vollzieht sich hundertmal schneller als das bisher jemals der Fall war. Seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und insbesondere seit den 1950er-Jahren steigt die Kurve des weltweiten CO2-Ausstoßes extrem stark an. Aber auch in anderen Graphiken, wie jener der weltweiten Papierproduktion, der motorisierten Fahrzeuge oder auch der Weltbevölkerung, ist derselbe annähernd exponentielle Anstieg erkennbar, weshalb ForscherInnen von der sogenannten Hockeystick-Curve sprechen. Die Zeit seit 1950 wird in der Wissenschaft auch häufig als Great Acceleration (große Beschleunigung) bezeichnet. Menschliches Handeln wirkt sich also in verschiedensten Bereichen extrem auf das System Erde aus. In der  Wissenschaft wird deshalb intensiv die Ausrufung eines neuen Erdzeitalters namens Anthropozän, was übersetzt so viel wie „Menschenzeitalter“ bedeutet, diskutiert. Dieser Begriff ist zwar aus geologischer Sicht noch teilweise umstritten, wird jedoch aufgrund seiner starken Bedeutung auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften immer mehr verwendet.

3. „Die Sahara war einmal die Kornkammer Roms und ist dann zur Wüste geworden. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, aber sicher nicht mit Fabriken oder sonstigen Entwicklungen, die es damals gar nicht gab.“

Diese Aussage ist schlicht und einfach falsch. Die Sahara war zwar tatsächlich einmal grünes und fruchtbares Land, doch das war vor ungefähr 12.000 Jahren – lange bevor die Römer auch nur in Italien unterwegs waren. Diese Zeit fällt ins Pleistozän und ist allgemein als Eiszeitalter bekannt. Teile Österreichs lagen damals unter einer kilometerdicken Eisschicht – genau wie ganz Nordeuropa. Als die Römer dann tatsächlich nach Nordafrika kamen und von dort auch Getreide nach Italien importierten, kam dieses Getreide nicht von Feldern in der Sahara, sondern nördlich davon, aus der Gegend um Karthago (nahe des heutigen Tunis/Tunesien; siehe Abbildung 2). Dort ist das Land auch jetzt noch deutlich fruchtbarer als in der Wüste. Das liegt unter anderem an der Nähe zum Mittelmeer, dessen Einfluss im Norden Tunesiens zu einem mediterranen Klima führt. So wird dort auch heute noch Landwirtschaft (Anbau von Oliven, Datteln, Zitrusfrüchten, aber auch Getreide) betrieben. Die Klimaerwärmung führt jedoch immer mehr zu Flächenverlusten in der Landwirtschaft und auch die (künstliche) Bewässerung ist ein großes Problem, da die sehr begrenzten fossilen Grundwasserreserven dafür verwendet werden müssen.

Auch zu dieser Aussage hat sich Fakt = Fakt geäußert.

4. „Es gibt Prozesse, die Erkältung und Erwärmungen herbeiführen in Zackenbewegungen, wo auch die Wissenschaft nicht weiß, wohin wir uns entwickeln.“

Diese Aussage ist eigentlich nur eine Wiederholung von Behauptung Nummer 1. Mit „Zackenbewegungen“ spielt Strache vermutlich auf Diagramme an, die den Temperaturverlauf auf der Erde durch die gesamte Erdgeschichte darstellen. Eine solche Darstellung ist auch Abbildung 3: im oberen Teil wird der Temperaturverlauf über die letzten 5 Millionen Jahre der Erdgeschichte dargestellt, im unteren Teil werden mit zeitlich vergrößertem Maßstab die letzten 800.000 Jahre gezeigt. Die Temperatur wird nicht absolut dargestellt, sondern relativ zu den höchsten Werten des Holozäns. Ganz am Ende der unteren Darstellung ist die letzte Eiszeit eingezeichnet (als die Sahara grün und die Alpen komplett vergletschert waren) und kurz danach (12.000 Jahre vor heute) ist der Beginn des Holozäns, unseres aktuellen Erdzeitalters, verzeichnet.

In solchen Graphiken wirkt die aktuelle Erwärmung tatsächlich sehr gering, doch das liegt schlicht an ihrem riesigen zeitlichen Maßstab. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich den Unterschied zwischen Erd- und Menschengeschichte klar zu machen. Geologische und erdgeschichtliche Veränderungen passieren über so unvorstellbar lange Zeiträume, dass es für uns als Menschen extrem schwierig ist, sie in ein richtiges Verhältnis zu unserer Lebenswelt und unserem Wirkungsbereich zu setzen. In der Forschung wird bei geologischen Zeiträumen deshalb oft von „Tiefenzeit“ gesprochen. Wenn man die Erdgeschichte auf 365 Tage umlegt, so starben am 24. Dezember dieses fiktiven Jahres die Dinosaurier aus und erst am 31. Dezember um 23:42 erschien der Homo Sapiens zum allerersten Mal (vgl. Grotzinger & Jordan 2017: 210). Umso bestürzender ist es eigentlich, dass wir Menschen es in den letzten 50 bis 150 Jahren (ein paar Zehntelsekunden im Jahr der Erdgeschichte) geschafft haben, aus unserer unglaublich kurzen Menschengeschichte in die Erdgeschichte einzugreifen.

Vielleicht hat Vizekanzler Strache in einem kleinen Punkt recht: wir wissen nicht, was es für langfristige, erdgeschichtliche Folgen haben wird, dass und wie sehr wir uns in die Tiefenzeit einmischen. Doch wir wissen, dass es für die Menschengeschichte fatale Auswirkungen haben wird, und dass wir dadurch schon jetzt ein riesiges Aussterbeereignis hervorrufen. Und wir wissen, dass die Erde zwar imstande ist, sehr viele extreme Klimaschwankungen zu überstehen. Für den Homo Sapiens und sehr viele andere Arten sieht es diesbezüglich aber deutlich schlechter aus.

Man könnte sich nun also die Frage stellen, warum von der politischen Führung unseres Landes solche Fehlinformationen verbreitet werden. Warum der Klimawandel und insbesondere die Verantwortung des Menschen im Zusammenhang damit nicht ernst genommen wird. Warum man es für richtig hält, der Bevölkerung die Dringlichkeit des Problems Klimakrise zu verschweigen – ganz so, als ob sich irgendwann alles einfach so zum Guten wenden würde. Mögliche Antworten auf diese Fragen kann jede und jeder selbst zu finden versuchen. Das Ziel dieses Textes ist es nur, öffentliche Falschaussagen zu entkräften und richtig zu stellen.

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Quellen

Grotzinger, John & Thomas Jordan (2017): Press/Siever. Allgemeine Geologie. Berlin: Springer.

Sahara

Bilder

NASA Global Climate Change (Titelbild: Veränderung der arktischen Eisbedeckung)

NASA

Globaia

Provinz Africa