Naturbasierte Lösungen gegen die Klimakrise

Naturbasierte Lösungen gegen die Klimakrise

Bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen stehen anstatt naturbasierter Lösungen meist technologische Methoden und der Umstieg auf erneuerbare Energien im Vordergrund. Doch viele Prozesse sind nach wie vor unweigerlich mit dem Ausstoß von CO2 verbunden. Ein kompletter Stopp der Emissionen scheint, zumindest in den nächsten Jahren, unrealistisch. Gleichzeitig wirken viele natürliche Ökosysteme als Kohlenstoffsenken und bieten Schutz gegen Naturgefahren. Sie geraten aber durch die voranschreitende Zerstörung von Lebensräumen zunehmend unter Druck. Wie kann man natürliche Systeme nützen, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu stabilisieren und die von Umweltkatastrophen ausgehenden Gefahren zu reduzieren?

Mit der COP26 in Glasgow fand vor kurzem eine der richtungsweisendsten Klimakonferenzen statt. Es steht viel auf dem Spiel, denn nur eine rapide Reduktion der Treibhausgasemissionen innerhalb des globalen Klimabudgets kann zur Stabilisierung des Klimasystems führen. Ein kompletter Stopp der Emissionen ist kurzfristig fast unmöglich, da zu viele gesellschaftliche und industrielle Prozesse mit Treibhausgasemissionen verbunden sind. Hier könnten natürlichen Ökosysteme einen wichtigen Beitrag leisten. Als sogenannte Kohlenstoffsenken absorbieren sie CO2 und andere Treibhausgase. Vor allem Pflanzen und Mikroorganismen in den Böden darunter nehmen Kohlenstoff auf und speichern ihn in ihrer Biomasse. Durch die langfristige Speicherung von Kohlenstoff reduzieren intakte Ökosysteme auf natürliche Art und Weise die CO2 Konzentration in der Atmosphäre und tragen dazu bei, dass das viel erwähnte „Net-Zero“ der Treibhausgasemissionen erreicht werden kann. 

Ökosysteme unter Druck

Insbesondere naturbelassenen Ökosysteme stehen aber unter besonderem Druck durch den Menschen. Die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen kann sogar dazu führen, dass natürliche Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden und somit zusätzlich Kohlenstoff in die Atmosphäre emittieren. Das ist zurzeit in Südamerika zu beobachten. Die unkontrollierte Abholzung des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien führt dazu, dass der Urwald mittlerweile mehr CO2 ausstößt als er aufnimmt. Weltweit lassen sich fast 15% der menschengemachten CO2 Emissionen auf die Rodung intakter Wälder zurückführen. Wälder, die gerade in den Tropen besonders artenreich sind. Mit mehr als 14.000 beschrieben Pflanzenarten ist der Amazonas-Regenwald einer der wichtigsten globalen Hotspot der Biodiversität. Das ist insofern bedeutend, weil Forscher*innen mittlerweile nachweisen konnten, dass sich die Artenvielfalt positiv auf die Kohlenstoff-Aufnahmefähigkeit und die Stabilität von Ökosystemen auswirkt.

Gleichzeitig befinden wir uns aber an der Schwelle eines Massenaussterbens. Die Aussterberaten sind durch den Einfluss des Menschens 100- bis 1000-fach höher als ohne. Auf der UN-Biodiversitäts-Konferenz in Kunming (COP15) forderten deshalb Naturschützer*innen und Wissenschaftler*innen, dass mindestens 30% der terrestrischen Flächen bis 2030 unter Schutz gestellt werden. Es gab hier zwar eine Einigung, es fehlen aber konkrete Maßnahmen und Ziele. Die Konferenz wird im Frühjahr 2022 fortgesetzt.

Naturbasierte Lösungen wie das Pflanzen neuer Bäume spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt und gegen den Klimawandel.
© Ikhlasul Amal, Flickr

Naturbasierte Lösungen 

Der Erhalt der Biodiversität steht also in direktem Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels. Dabei könnten sogenannte „Nature-based solutions“ (NBS, auf Deutsch: naturbasierte Lösungen) eine zentrale Rolle spielen. Hier werden natürliche Ökosysteme bewusst zur Reduzierung von Ursachen und Folgen des Klimawandels eingesetzt. Insbesondere soll dabei die lokale Bevölkerung in die Lösung miteinbezogen werden. Eine oft genutzte naturbasierte Lösung sind die Mangrovenwälder der Kontinentalküsten. Durch die Stabilisierung der Böden schützen sie die Küsten vor Erosion und tragen auf natürliche Weise zum Hochwasserschutz bei. Gleichzeitig fungieren Mangrovenwälder auch als natürliche Kohlenstoffsenken und reduzieren so die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Anders als Hochwasserschutzwände bieten Mangrovenwälder auch einer artenreichen Fauna und Flora einen Lebensraum. Laut Wissenschaftler*innen sind sie im Schnitt sogar 2- bis 5-mal günstiger als künstliche Maßnahmen.

Erste Ergebnisse anderer naturbasierten Lösungen wie etwa die Restaurierung von Feuchtgebieten, die Renaturierung von Wäldern oder die Agroforstwirtschaft könnten ähnlich effektive Alternativen zu künstlichen Lösungen bieten. Die Finanzierung bleibt aber schwierig, denn die Projekte führen meist zu keiner direkten Kapitalsteigerung. Das macht sie für private Investoren unattraktiv. Auf der anderen Seite fehlt es an staatlichen Förderungen für die nötige Basisforschung, um Unsicherheiten in der Implementierung auszuräumen. Diese Barrieren gilt es zu überwinden. 

Ganzheitliche Lösungen

Eine langfristige Lösung der Klimakrise und ihrer Folgen kann nur unter Einbezug der natürlichen Ökosysteme funktionieren, da diese Kohlenstoff auf natürliche Art und Weise speichern. Es ist deshalb wichtig, die Klima- und die Biodiversitätskrise nicht isoliert zu betrachten, sondern eine Verbindung zwischen den beiden “Menschheits-Aufgaben” herzustellen. Naturbasierte Lösungen bieten hier einen Ansatz, um sowohl das globale Artensterben als auch den Klimawandel zu begrenzen.


Der Autor empfiehlt

Einen Überblick über die möglichen Anwendungen von naturbasierten Lösungen von Seddon, N., Chausson, A., Berry, P., Girardin, C.A., Smith, A. and Turner, B. (Studie 2020 im Journal Philosophical Transactions of the Royal Society veröffentlicht)

Einen Überblick über CO2 Emissionen durch Entwaldung von Van der Werf, G.R., Morton, D.C., DeFries, R.S., Olivier, J.G., Kasibhatla, P.S., Jackson, R.B., Collatz, G.J. and Randerson, J.T. (Studie 2009 im Journal Nature geoscience veröffentlicht)

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des ersten Teils der Biodiversitätskonferenz in Kunming

Titelbild: Mangroven-Wald in Florida. © Marie Hickman, Getty Images