Naturgewalt Wasser: Zwischen Hochwasser-Fluch und Trinkwasser-Segen

Naturgewalt Wasser: Zwischen Hochwasser-Fluch und Trinkwasser-Segen

In regelmäßigen Abständen erweitern wir unser Dossier zu „Klimakrise und Gesundheit in Österreich“. Teil 2 des Dossiers widmet sich den Möglichkeiten und Gefahren rund um Wasser. In Österreich fällt mit 1100mm pro Jahr so viel Niederschlag, wie in fast keinem anderen Land Europas. Das ist genug, um den Bodensee füllen zu können. Sogar zweimal. Wasser ist in Österreich somit ausreichend vorhanden. Doch es ist nicht nur lebensnotwendig, es kann auch lebensbedrohlich werden. Die beiden Gesichter des Wassers müssen in Bezug auf die Klimakrise überdacht und richtig gemanagt werden, um die Gesundheit der Menschen zu gewährleisten.

Erderhitzung und Trinkwasserversorgung in Österreich

Trinkwasser ist unverzichtbar. Österreich genießt das Privileg, den Trinkwasserbedarf ausschließlich mit Grundwasser aus Brunnen und Quellen decken zu können. Das Wasser kommt zur Hälfte aus Grundwasserressourcen und auch aus Quellen.
Schon jetzt wirkt sich die Klimakrise auf die Neubildung von Grund- und Quellwasser aus: Schneearme Winter und der darauffolgende trockene Frühling verringern die Wassermenge, die neu entsteht. Gleichzeitig wird immer mehr Wasser entnommen –  etwa für die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen. Auch Extremwetterereignisse, wie Starkregen nehmen zu und überlasten den trockenen Boden. So wird das Regenwasser nicht ins Grundwasser aufgenommen, sondern fließt oberirdisch ab.

Österreich hat als geographisch heterogenes Land einen entscheidenden Vorteil: Wenn es in einer Region zu Engpässen kommen sollte, kann die Wasserversorgung über andere, niederschlagsreichere Regionen sichergestellt werden. So bringt etwa die zur Kaiserzeit gebaute Kaiser-Franz-Josef-Hochquellenleitung frisches Quellwasser vom Hochschwab in die Wiener Haushalte.

Die österreichischen Wasserversorger*Innen, wie die LINZ AG oder Wiener Wasser beobachten und analysieren die aktuellen Ereignisse und optimieren die Infrastruktur. So wurden etwa die Leitungssysteme ausgebaut und Verbundleitungen geschaffen. Dadurch kann im Notfall Wasser aus benachbarten Gemeinden bezogen werden. Der Grundsatz der Wasserversorger*Innen ist klar: Trinkwasser geht vor. Deshalb kann es in Zeiten von schwacher Grundwasserneubildung auch zu Beschränkungen beim Befüllen von Pools oder bei der Garten- und Landschaftspflege kommen.

Wasserversorgung in der Millionenstadt Wien

In den vergangenen 40 Jahren sank der Wasserverbrauch der Hauptstadt Wien trotz steigender Einwohner*innenzahl um ganze 20 Liter pro Tag. Der Hauptgrund für diese Reduktion sind vor allem sanierte Rohrnetze. Aber auch moderne Sanitäranlagen und Haushaltsgeräte werden immer wassersparender. Laut Ing.in Astrid Rompolt rechnet die Magistratsabteilung Wiener Wasser, die die Quellwasserversorgung der Stadt sicherstellt, deshalb nur mit einem moderaten Anstieg des Wasserbedarfs in Wien.

Im Hinblick auf die Klimakrise setzt Wiener Wasser vor allem auf die Erhöhung der Wassermengen bei Quellen, wo das technisch möglich ist. Außerdem soll die Speicherkapazität der Wasserbehälter zukünftig erhöht werden. Dafür sollen diese saniert und erweitert werden, sodass Verbrauchsspitzen noch besser kompensiert werden können. Der Fokus liegt aber nicht ausschließlich auf Klimaanpassung, sondern auch auf Vorsorge. So trägt die  „Wiener Wasser“ mit verschiedenen Projekten zur Reduktion von CO2-Emissionen in Wien bei. Beispielsweise werden etwa Photovoltaikanlagen auf den Wasserbehältern betrieben oder Fassaden in der Stadt begrünt.

Derzeit ist die Wasserversorgung Wiens also sichergestellt. Es wird hoher Wert darauf gelegt, die Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt mit ausreichend und hochwertigem Trinkwasser zu versorgen. Dennoch wird es immer wichtiger – besonders in Zeiten der Klimakrise – nachhaltig mit der kostbaren Ressource Wasser umzugehen. Dadurch soll, trotz der noch nicht vollständig vorhersehbaren Folgen der Klimakrise, eine ausreichende Versorgung mit Wasser garantiert werden.

Schutz vor der Naturgewalt Hochwasser

Ziel der Wasserwirtschaft ist aber nicht nur, das Wasser zu nutzen, sondern auch die Menschen vor dem Wasser zu schützen. Auch hier kommt es im Zuge der Klimakrise auf Grund des Temperaturanstiegs, sowie auf Grund von vermehrter Gewässerregulation zu Veränderungen, zu neuen Herausforderungen.

Wie Hochwässer entstehen und sich verändern ist komplex. Faktoren wie Niederschlagsmenge, Schneefall oder Bodenbeschaffenheit beeinflussen, ob, wann und wie stark es zu Hochwässern und Überflutungen kommt. Hinzu kommen menschliche Aktivitäten im Flusseinzugsgebiet und Flussregulierungen. Da es außerdem wenig langfristige Aufzeichnungen zu Hochwässern gibt, ist es schwierig, konkrete Aussagen über den Zusammenhang von Hochwasser und der Klimakrise zu treffen. Aktuelle Studien zeigen aber, dass sich der Zeitpunkt von Hochwasserkatastrophen verändert. Schuld an diesen Änderungen ist die Überhitzung der Erde. Zu den Folgen zählen etwa frühere Schneeschmelzen in Skandinavien. Das dabei entstandene Wasser führt wiederum in Nordosteuropa zu früheren Hochwässern.
Andererseits kommt es an der Nordsee später im Winter zu Hochwässern. Grund dafür sind später einsetzende Winterstürme mit starken Niederschlägen, welche durch Veränderungen der Luftdruckverhältnisse über dem Atlantik und der Erwärmung der Polarregion entstehen.

Hochwasserrichtlinien

Flüsse machen nicht vor Grenzen halt. So können Hochwässer oftmals mehrere  Staaten gleichzeitig betreffen. Deshalb gibt es auch immer mehr Bestrebungen, Forschung und Prävention als europaweites Thema zu betrachten. Eine wichtige Grundlage bilden dabei die EU-Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG. Grund dafür war die Tatsache, dass Hochwässer das Potenzial haben, zu Todesfällen oder zur Umsiedlung von Menschen zu führen. Auch die Umwelt und wirtschaftliche Entwicklungen können gefährdet oder behindert werden. Ziel ist es, eine Bewertung und darauf aufbauend ein Management von Hochwässern zu schaffen. So sollen Gesundheit, Umwelt, Wirtschaft und Kulturgüter geschützt werden. Die Umsetzung der EU-Hochwasserrichtlinie erfolgt in 3 Schritten: Die vorläufige Bewertung des Hochwasserrisikos, Hochwassergefahrenkarten bzw. Hochwasserrisikokarten und Hochwasserrisikomanagementpläne.

Aktiver und passiver Hochwasserschutz

Um präventiv gegen Hochwässer vorzugehen, können aktive und passive Maßnahmen gewählt werden. Passiver Hochwasserschutz soll den natürlichen Wasserhaushalt möglichst wenig verändern. So bleibt die Fähigkeit des Flusses, mehr Wasser zu speichern erhalten oder wird sogar verbessert. Dazu zählen etwa Aufforstungen oder Grünstreifen im Einzugsgebiet eines Flusses. Eine weitere Möglichkeit ist das Vegetationsmanagement. Pflanzen stabilisieren die Ufer und können Überschwemmungen mindern. Auch Totholz kann Strukturelemente schaffen und die Strömung beeinflussen. Die Vegetation beeinflusst das Fließverhalten des Flusses und führt dazu, dass sich Hochwasserwellen verzögern.

Im Gegensatz dazu beeinflussen aktive Maßnahmen das Gewässerprofil. Beispielsweise können Flüsse ausgeweitet werden, sodass sie mehr Wasser fassen. Eine weitere Möglichkeit sind Deiche (in Österreich auch Hochwasser-Schutzdämme genannt), welche Wasser aufstauen.

Doch Hochwässer stellen nicht nur kurzzeitig eine Bedrohung dar, sondern haben auch langfristige Auswirkungen. So berichtet ein Betroffener aus einem Ort an der oberösterreichischen Gusen. „Ein großes Problem ist der Schimmel, der sich sehr hartnäckig in den Häusern hält.“ Immer wieder wird sein Heimatort überschwemmt. In der betroffenen Gemeinde wurden deshalb als Vorbeugung die Holzböden durch Fließen ersetzt. Außerdem wurde der Abflussquerschnitt des Flusses verbreitert und die Uferböschungen stabilisiert.

All diese Maßnahmen retten Leben. Dabei ist es wichtig, die 3. Säule der Wasserwirtschaft nicht außer Acht zu lassen: der Schutz des Wassers. Es gilt die richtige Balance zwischen der Verbauung von Flüssen und der Erhaltung der Gewässerökologie zu finden. So werden etwa auch immer mehr Flüsse renaturiert, um sowohl den ökologischen Ausgangszustand, als auch den natürlichen Ausgleich von Hochwässern wieder herzustellen.

Ein Blick in die Zukunft

Wasser ist in der Diskussion rund um die Klimakrise nicht außer Acht zu lassen. Sowohl als unverzichtbare Lebensgrundlage, als auch als zerstörerische Naturgewalt.

Um die genauen Auswirkungen der Erderhitzung auf Hochwässer zu erklären, wird noch weitere Forschung notwendig sein. Klar ist aber: Die Klimakrise und die dadurch entstehenden Veränderungen unseres Planeten beeinflussen, wo und in welchem Ausmaß Hochwässer entstehen.
Diese Veränderungen lassen sich auch in der Trinkwasserversorgung beobachten: Regenwasser wird schlechter gespeichert und in den Sommermonaten steigt der Trinkwasserbedarf.

Glücklicherweise ist der Wasservorrat Österreichs einzigartig. Um diese wertvolle Ressource Wasser auch weiter zu erhalten ist nicht nur die Anpassung, sondern vor allem der Kampf gegen die Klimakrise wichtig. Nur so kann die Gesundheit kommender Generationen sichergestellt werden.


Illustration: Blanka Vaszi