Als ich, wie eigentlich jeden Abend, durch die zahlreichen Insta-Stories klicke, springt mir eine besonders ins Auge. Ein Bild von protestierenden Menschen mit dem Titel: „The 2020 Rise UP“ – Out soon!“. Es ist der Dokumentarfilm, den befreundete Film- und Multimedia-Schüler produziert haben. Ab dem Zeitpunkt kann ich es kaum erwarten, ihn zu sehen.
Berührend, motivierend, schockierend.
17. Jänner – der Film ist veröffentlicht. Er ist alles und doch mehr, als ich erwartet hatte. Ich schaue ihn mir sofort an und verschiebe meine Uni-Arbeit erneut nach hinten. Klima-Aktivismus hat heute Vorrang.
„In den vergangenen Jahren, haben mehrere Gruppen von Aktivisten wiederholt den Spruch „By 2020 we rise up“ adressiert und als eine Warnung für Politiker und Konzerne eingesetzt. Das hat eine gewisse Spannung und Erwartungen daran gestellt, was im Jahr 2020 passieren wird, eine Spannung der nicht einmal wir entkommen konnten.“
The 2020 Rise Up
Mit diesem Denkanstoß beginnt die 30-minütige Dokumentation. Sie zeigt Bilder aus aller Welt: Berührende symbolische Straßenbemalungen der Organisation Seebrücke, um auf Flüchtlinge aufmerksam zu machen. Motivierende friedliche Straßensperrungen vor klimaschädlichen Konzernen. Schockierende Polizeieingriffe bei Demonstrationen für ein demokratisches System.
Mit meinen gemischten Gefühlen hört es da aber nicht auf. Mich berührt, von der Willensstärke der Hongkonger Be Water Aktivisten zu hören. Mich motiviert die Symbolik von Protestbewegungen, die Extinction Rebellion im Gespräch vermittelt. Und mich schockiert zutiefst, wie Politiker und Konzerne vor all dem noch immer ihre Augen verschließen können.
Berühren, motivieren, schockieren.
Dieser Film hat mich daran erinnert, warum ich mich als Klimaaktivistin engagiere und was das Ziel von Aktivismus eigentlich ist. Trotz der zahlreichen Proteste im Jahr 2020 war mein Zugang dazu distanziert. Ehrlich gesagt war jeder von jedem und allem distanziert. Es ist einfach anders mit einer Masse mitzuschreien und vor dem Rathaus für Umweltschutz und Klimagerechtigkeit einzustehen, als online bei einem „Klimastreik“ mitzumachen! Dachte ich jedenfalls. Dachte ich aber falsch. „The 2020 rise up“ und die Vielzahl an Online-Initiativen haben mir aufgezeigt, was Aktivismus wirklich bedeutet.
Man berührt unausgesprochene Tabuthemen und deklariert sie lautstark, um so viele Menschen wie nur möglich zu motivieren, für eine gemeinsame Meinung einzustehen. Auch wenn dies manchmal heißt, dass man schockieren, provozieren und ein bestimmtes Weltbild aufrütteln muss. Man muss nicht nur in einer großen Masse mitschwimmen, um ein heikles Thema öffentlich berühren zu können. Ich kann nicht nur andere motivieren, indem ich mit meinem selbstgebastelten Plakat mehrere Kilometer beim Streik mitmarschiere. Wir dürfen nicht vergessen wie wichtig die Rettung des Planeten ist, nur weil wir es im Jahre 2020 eventuell verlernt haben, öffentlich zu schockieren, Großindustrielle zu provozieren und diese Welt und unsere Politiker aufzurütteln.
Berührt, motiviert, schockiert.
Eigentlich sind Neujahrsvorsätze nicht so mein Ding. Mitte Jänner ist auch ein komischer Zeitpunkt, um sich einen Neujahrsvorsatz zuzulegen. Aber von meinen vielen gemischten Gefühlen zu dieser Dokumentation dominierte eindeutig die Motivation.
Das Versprechen „By 2020 we rise up“ benutzten Aktivisten, um Politiker und Konzerne vor der aufstrebenden Masse an motivierten Idealisten zu „warnen“. Nehmen wir uns also alle etwas für 2021 vor. „By 2020 we have risen up and we won’t be silent anymore!“ Aktivismus ist da, um aktiv zu sein, um laut zu sein und um etwas zu bewegen. Natürlich werde auch ich sentimental und sehne mich nach Klimastreiks oder starken Protestaktionen im Freien – auch ohne Masken.
Aber es braucht Aktivismus, überall und genau jetzt. Egal ob man dies aktuell “nur” im Internet ausüben kann. „By 2020 we have risen up and we won’t be silent anymore!” Man muss in die Zukunft blicken und einen Wandel im System sehen, nicht den Klimawandel. Ich kann mit meinen Ansichten tagtäglich Menschen berühren, motivieren und schockieren.
Wir werden auf 2021 zurückblicken und sehen: Wir haben weiterhin unangenehme Themen zur Sprache gebracht. Wir haben viele Menschen motiviert, ebenfalls gegen den Klimawandel anzukämpfen. Wir haben mit Fakten, Aktionen und Bildern schockiert. Wir haben uns erhoben und wir werden es auch in Zukunft tun.