Tschechien │ Am 8. März 2021 fiel in der tschechischen Atombehörde (SUJB) die Entscheidung für mindestens einen weiteren Atomreaktor in Dukovany. Mit nur etwa 40 Kilometern Entfernung zur österreichischen Grenze hat diese Entscheidung auch hierzulande Relevanz. Neben sensiblen Fragen zu Klimaschutz und Zukunft, ergeben sich auch Bedenken in Bezug auf Sicherheit.
Die Gemeinde Dukovany in Tschechien. Etwa 40 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Standort von vier, der insgesamt sechs tschechischen Atom-Reaktorblöcke. Aus den Kühltürmen des Atomkraftwerks steigt dichter weißer Nebel und er wird dichter – denn zu den bisher vier Reaktoren könnten nun noch zwei weitere treten. Mit der Ausbau-Zustimmung der SUJB an den Energiekonzern CEZ am 8. März 2021 wird die Erweiterung ermöglicht, wobei derzeit nur ein Reaktor in Planung ist. Dieser soll etwa 2035 in Betrieb genommen werden.
Dukovany-AKW vs. Klimaschutz
Der Anti-Atomenergie-Sprecher der österreichischen Partei „die Grünen“, Martin Litschauer, hält den Ausbau für bedenklich. Denn: „[…] der Atomstrom [hat] auch einen wesentlichen CO2-Ausstoß in der Wertschöpfungskette, der nicht klein gemacht werden darf. Ich halte die Signale in Richtung Ausbau für fatal im Sinne einer naturverträglichen, risikominimierenden und ökonomisch-sinnvollen Energiewende“.
Atomkraftwerke und Klimaschutz prallen in vielerlei Hinsicht aufeinander. Obwohl Kernenergie oft treibhausgas-arme Energieerzeugung nachgesagt wird, entspricht das nur halb der Wahrheit. Im Vergleich zu fossilen Brennstoffen, wie Kohle, sind die Kohlenstoffemissionen bei der Erzeugung von Atomenergie in Kraftwerken gering. Jedoch braucht Atomenergie, laut einer österreichischen Studie im Auftrag des BMK* aus dem Jahr 2020, zur Energieerzeugung große Mengen an Grund- und Oberflächenwasser. Auch der Abbau von Uran produziere leicht radioaktive Abfallstoffe und habe potentiell schädliche Folgen für Ökosysteme. Zudem sind auch die CO2-Emissionen im Rahmen des Uranbergbaus nicht zu vernachlässigen.
Atomenergie kann den staatlichen CO2-Ausstoß nicht signifikant senken
Auch Erkenntnisse einer britischen Studie der University of Sussex aus dem Jahr 2020 ergänzen diese eher kritische Sicht auf Atomenergie. Die Forscher beschäftigten sich mit den Unterschieden in der Reduktion des CO2-Ausstoßes, zwischen Ländern, die erneuerbare Elektrizität nutzen, im Gegensatz zu solchen, die auf Atomkraft setzen. Für die Studie wurden 123 Länder und Daten in einem Zeitrahmen von 25 Jahren untersucht. Als Ergebnis präsentierte die Studie, dass Kernkraft nicht zu einer signifikanten Senkung der CO2-Emissionen eines Staates beitragen könne. Erneuerbare Energieerzeugung hätte jedoch einen solchen Effekt.
Atommüll-Entsorgung als Herausforderung
Auch die Frage der Atommüll-Entsorgung steht im Raum. Patricia Lorenz, Atomsprecherin der Umwelt-Organisation Global 2000, sieht diese problematisch. Und das vorrangig aufgrund der Tatsache, „[…] dass es für Atommüll einfach keine sichere Entsorgung […]“ gäbe. Auch Tschechien ist für seine Atomkraftwerke in Dukovany und Temelin aktuell noch auf der Suche nach Endlagern. Diese könnten potentiell in der Nähe zu Deutschland, aber auch in der Nähe zu Österreich entstehen. Ein besonders nah an der Grenze zu Niederösterreich gelegenes Lager, sei allerdings nicht mehr im Gespräch.
Dukovany-AKW vs. Sicherheit
11. März 2011 – Erdbeben, Tsunami, Atom-Katastrophe. Zum zehnten Mal jährt sich 2021 der Super-GAU im japanischen Fukushima. Neben die etwa 18.500 Todesopfer in Folge der Naturkatastrophe, treten ein umfassendes atomar-belastetes Gebiet und eine unbestimmte Zahl von Personen, die von atomarer Verstrahlung betroffen sind. Der Reaktorunfall hat weltweit die Diskussion über die Sicherheit von Atomkraftwerken angestoßen.
Nun, genau 10 Jahre später, fällt Tschechien dennoch die Entscheidung für einen Ausbau der Atomenergieversorgung. Dabei sind die vier existierenden Reaktoren in Dukovany bereits etwa 35 Jahre alt und damit ein wachsendes Sicherheitsrisiko. Konkret gelten in Dukovany vor allem die fehlenden zusätzlichen Kühlquellen und Sicherheitsbehälter, die bei einem Unfall dem Schutz der Umwelt vor Strahlung dienen würden, als bedenklich. Auch bei Wartungsarbeiten wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Defekte festgestellt.
Mit nur etwa 40 Kilometer Entfernung zu Österreichs Grenze wäre eine Atomkatastrophe in Dukovany verheerend. Im Vergleich: Nach dem Atomunfall in Tschernobyl am 26. April 1986, ließ sich radioaktive Belastung und Bodenkontamination noch in bis zu tausend Kilometern Entfernung nachweisen – auch im mehr als 1000 Kilometer entfernten Österreich.
Fehlende Zukunftstauglichkeit der Atomkraft
Noch im Februar wies Global 2000-Atomsprecherin Lorenz auf die Problematik einer tschechischen Entscheidung für einen neuen Reaktor in Dukovany hin: „Atomkraftwerke stellen nicht nur ein hohes Sicherheitsrisiko dar, sie sind auch wirtschaftlich und energiepolitisch alles andere als zukunftsfähig“.
Der Ausbau des Atomkraftwerks in Dukovany ist damit mit Blick auf Klimaschutz, Sicherheit und die nahe und ferne Zukunft nicht unbedingt zielführend. Mit der Erkenntnis, dass Atomkraft im Gegensatz zu erneuerbaren Energien nicht wesentlich zur Senkung des CO2-Ausstoßes eines Staates beiträgt, können jedoch klimafreundlichere Schritte gesetzt werden.
Zudem: der Neubau eines Atomkraftwerkes kann inklusive der Rahmenbedingungen (Bewilligungen, Sicherheit, …) etwa 10 bis 20 Jahre in Anspruch nehmen. Mit dem 1,5-Grad-Ziel und den Jahren 2030 bis 2050 vor Augen, erscheint daher eine aktuelle Entscheidung für den Atomkraft-Ausbau in der Umsetzung als zu langsam und zu spät, um eine klimafreundliche Energiealternative darstellen zu können.
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*Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
Weitere Blickwinkel auf das Thema Kernkraft: Das Kernkraft-Dossier der Presse, an dem unser Klimareporter Florian mitgearbeitet hat