Die Corona-Pandemie hat die Welt im Griff. Vielerorts sind die Straßen leer, Touristen bleiben aus, Menschen sitzen wegen Ausgangssperren in ihren Häusern fest. Das wirkt sich auch auf die Umwelt aus. In China gehen die Treibhausgasemissionen zurück und die Luftqualität verbessert sich, in Venedig ist das Wasser so klar, dass man die Fische sehen kann. Immer öfter begegnet mir in den letzten Tagen die Argumentation, dass man auch die positiven Seiten der Corona-Krise betrachten müsse, beispielsweise die Auswirkungen auf die Umwelt. So einfach ist das aber nicht.
Corona gut für die Umwelt? Vorsicht mit solchen Aussagen
Der Vergleich zwischen der Corona-Pandemie und dem drohenden Klimawandel scheint naheliegend. Beide Krisen stellen unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen und bedrohen unser Leben, wie wir es kennen. Begegnen lässt sich ihnen nur mit einschneidenden Maßnahmen. Und sehr wahrscheinlich werden wir in vielerlei Hinsicht unser Verhalten verändern müssen. Bei der Klimakrise klingt das noch sehr abstrakt, da wir die Auswirkungen noch nicht, oder nur in geringem Maße, spüren. Das Corona-Virus bedroht unser Leben jetzt ganz aktuell und schon heute schränken wir unseren Alltag drastisch ein. Trotzdem ist der Vergleich schwierig. Denn dadurch werden zwei Krisen, die erstmal nichts miteinander zu tun haben, gegeneinander aufgewogen. Besonders problematisch ist das in den letzten Tagen immer wieder von Medien und Einzelpersonen verbreitete Narrativ, die Corona-Krise sei immerhin gut für die Umwelt.
Es geht um Menschenleben
Zunächst einmal: Ein weltweit auftretender Virus, an dem Tag für Tag Menschen sterben, kann unter keinen Umständen „gut“ sein. Selbst wenn es der Natur von heute auf morgen dank Corona schlagartig besser ginge, würde es die Pandemie nicht zu etwas Gutem machen. Das Motiv dieser Krise wenigstens etwas Positives abgewinnen zu wollen, ist verständlich. In diesen Zeiten sehnen wir uns alle nach guten Nachrichten. Aber man kann nicht alles „positiv“ sehen. Nicht, wenn dadurch vergessen wird, dass es um Menschenleben geht.
So oder so sind die Auswirkungen auf die Umwelt, wenn überhaupt, nur temporär. Soll heißen: Es bringt nichts sich jetzt darüber zu freuen, dass es den Kanälen in Venedig zeitweise besser geht als ohne Corona. Sobald die Ausgangssperren wieder aufgehoben werden, das öffentliche Leben sich normalisiert und die Touristen zurückkommen, ist alles wieder beim Alten. Denn eins ist klar: Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus sind richtig und wichtig, aber sie dürfen nicht von Dauer sein. Derartig weitgreifende Einschränkungen in die Bewegungsfreiheit des Einzelnen sind in einer demokratischen Gesellschaft längerfristig nicht tragbar. Und damit auch keine angemessene Perspektive zur Bekämpfung von Umweltproblemen, allen voran der Klimakrise. Was es braucht, sind nachaltige Maßnahmen, die mit einer demokratischen und freiheitlichen Lebensweise vereinbar sind. Das heißt nicht, dass wir uns nicht einschränken werden müssen. Aber die Klimakrise ist nicht gelöst, wenn wir uns alle zuhause einsperren. Zwar kann man darauf hoffen, dass viele während der Zwangspause ins Nachdenken kommen. Darüber welche Konsequenzen unsere Wirtschaftsweise und unser rasanter Lebensstil für die Gesundheit und die Umwelt haben. Vieles spricht aber dafür, dass wir es nicht mit einem nachhaltigen Wandel zu tun haben. Wahrscheinlicher ist, dass die Meisten nach Ablauf der Quarantäne ihre wiedergewonnene Freiheit erstmal in vollen Zügen genießen wollen. Das könnte sogar zu einem Backlash in Bezug auf umweltschädliches Handeln führen.
Menschenfeindliche Narrative erkennen und widersprechen
Richtig gefährlich wird es dann, wenn dem Virus nicht nur einzelne positive Umweltaspekte abgewonnen werden sollen, sondern das Sterben von Menschen pauschal als positiv für die von der Menschheit geplagten Erde betitelt wird, wie etwa in diesem Twitter-Post. Beliebt ist auch die Rede von der Erde die „zurückschlägt“ bzw. die sich „rächt“ gegen das Verhalten der Menschen. Was hinter diesen menschenfeindlichen Bildern und Narrativen steckt, ist nichts anderes als eine Form von ökologischem Faschismus, wie ihn auch der Attentäter von Christchurch benutzte.
Darauf hat in den vergangenen Tagen auch die Wiener Politologin Natascha Strobl auf Twitter hingewiesen. Laut Strobl basiert diese Ideologie auf einer romantisierten Naturvorstellung gepaart mit der sozialdarwinistischen und rassistischen Vorstellung einer „Überbevölkerung“ der Erde. Das Resultat ist ein Framing, das die Menschheit pauschal als Bedrohung für die Natur begreift. Die Menschen als Virus. Wer in diesen Tagen also die positiven Auswirkungen des Corona-Virus für die Umwelt hervorhebt, a la „endlich erholt sich die Natur von der Menschheit“, bewegt sich damit gefährlich nah an diesen neofaschistischen Bildern. Egel ob gewollt oder ungewollt. Es ist wichtig das zu wissen und im Zweifelsfall zu erkennen.
Die Lehre aus der Corona-Pandemie
Was ich sagen will: Manchmal gibt es an einer Krise nichts Positives. Deswegen muss man aber noch nicht verzweifeln. Wichtig ist nun, dass wir fürs Erste den offiziellen Anweisungen folgen und zu Hause bleiben. Nach der Krise wird genug Zeit sein, wieder alle Kraft in den Klimaschutz zu stecken. Und ganz vielleicht bietet sich nach dieser Erfahrung ein Moment echte Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Politik hat nun schließlich gezeigt, dass sie handeln kann. Aber: Corona löst eben nicht die Klimakrise. Die Maßnahmen müssen andere sein. Die progressive Klimagerechtigkeitsbewegung muss gut aufpassen, welche Sprache und welche Bilder in ihrem Namen verwendet werden, damit sie nicht unterlaufen wird. Das ist wichtig.
Weitere Beiträge dazu z.B.: https://mehralsgruenzeug.com/hoert-auf-corona-fuer-die-klimakrise-zu-instrumentalisieren/