Klimakrise = Bierkrise: Dreht der Klimawandel den Zapfhahn zu?

Klimakrise = Bierkrise: Dreht der Klimawandel den Zapfhahn zu?

Durch die Erderhitzung bedingte Ernteausfälle treiben den Preis für Bier künftig in die Höhe. Auch auf den Geschmack könnten sich die neuen klimatischen Umstände negativ auswirken, wie eine Brauerei in den USA mit einem entsprechend gebrauten Bier verdeutlicht.

Mit einem kräftigen „Prost!“ stießen die Besucher*innen des Oktoberfests auch dieses Jahr wieder die Bierkrüge zusammen. Insgesamt 5,6 Millionen Maß des Gerstengoldes wurden heuer ausgeschenkt. Das klingt viel, ist aber gemessen an den Vor-Corona-Messungen stark rückläufig. Zukünftig könnte es noch weniger werden: Forscher*innen des Fachblatts „Nature“ haben herausgefunden, dass durch den Klimawandel verursachte Extremwetterereignisse zu erheblichen Ernteausfällen in der Gerstenproduktion führen werden. Das würde  den Getreidepreis stark in die Höhe treiben. Dadurch stiege auch der Bierpreis: Im Vergleich zum Vorjahr könnte dieser durchschnittlich doppelt so hoch werden, was auch den Konsum um bis zu 16 % verringern würde.

Eine Grafik zeigt die höheren Preise für Bier durch die Klimakrise.
Die Modelle zeigen, dass in durch Hitzewellen und Dürren geprägten Jahren die Bierpreise steigen werden. Im schlimmsten Fall könnten sich die Preise in in Irland verdreifachen, in Tschechien sogar um 600 % erhöhen. Grafik: Xie, W. et al. Nature Plants https://doi.org/10.1038/s41477-018-0263-1 (2018)

Auf dem diesjährigen Oktoberfest lag der Preis für eine Maß zwischen 12,60 Euro und 13,70 Euro. Wird die Maß Jahren mit Extremwetterjahren bald über 20 Euro kosten? Wird Bier aufgrund des Klimawandels zum Luxusgut werden? Wir haben uns die Fakten für euch näher angeschaut.

Hitzewellen gefährden Gerste

In ein Bier gehören Hopfen, Gerstenmalz, Hefe und Wasser. Das steht im Reinheitsgebot bereits seit 1516. Damit ein Bier gut schmeckt, braucht es hochwertige Zutaten. Deren Anbau leidet aber unter den Folgen des Klimawandels. Vor allem Gerste ist davon betroffen: Die Getreidesorte gedeiht am besten im gemäßigten Klima auf Lehmböden. Durch die Erderhitzung treten häufiger Extremwettersituationen wie Hitzewellen auf, die die Böden stark austrocknen. Aber auch Starkregen kann zu Schäden am Gerstenkorn oder zu verfrühtem Keimen führen. Dadurch wird der Malzertrag weniger.

Da üblicherweise der Großteil des Korns als Futtermittel für Masttiere verwendet wird, bleibt für die Bierproduktion weniger übrig. Weniger Angebot, bei gleichbleibender Nachfrage, heißt: der Bierpreis steigt. Forscher*innen haben mittlerweile auch herausgefunden, um wie viel. In einer Studie simulierten sie mit Hilfe einer Software den zukünftigen Gerstenanbau in vier verschiedene Emissionsszenarien, von niedrigem bis hin zu hohem CO2-Ausstoß. Das Ergebnis: Selbst in einem Szenario, in dem die Klimakrise bestmöglich verlaufen würde, würde das Angebot an Bier zurückgehen und die Preise würden steigen. Durchschnittlich würde es doppelt so viel kosten wie im Jahr vor den Extremwettern.

Mehr Dürre, weniger Bier

Das liegt daran, dass Hitzewellen und Dürren den Gerstenertrag zwischen 3 % und 17 % verringern werden. Die starke Schwankungsbreite deutet auf regionale Unterschiede hin. Tropische Gebiete wie Zentral- und Südamerika sind im Modell besonders stark betroffen. In anderen Anbaugebieten wie Nordchina oder den Vereinigten Staaten steigen die Ernteerträge dagegen. Allerdings zu wenig, um den weltweiten Rückgang ausgleichen zu können. Das hat auch Auswirkungen auf die Preise: In Irland würde sich der Preis verdreifachen, in Tschechien sogar um 600 % steigen. Den starken Anstieg erklären sich die Forschenden auch damit, dass Preisänderungen zum Teil von der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher beeinflusst werden – und Irland und Tschechien liegen beide im weltweiten Bierkonsumranking (pro Kopf) weit vorne.

Österreich gehörte in der Simulation auch zu den Verlierenden. Trockenheit und immer höhere Temperaturen machen sich hierzulande bereits seit Jahren bemerkbar. Das führte zu so starken Ernteausfällen, dass 2018 die österreichischen Brauereien nicht mehr ausreichend mit heimischem Hopfen und Gerste versorgt werden konnten. Die Folgen: Import aus dem Ausland samt steigender Preise.

Zu den größten Gersteproduzenten weltweit gehören übrigens nicht nur Deutschland, Frankreich und Spanien, sondern auch Russland und die Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar wurde von Seiten der Ukraine vermehrt über zerstörte Getreidevorräte berichtet. Welchen Einfluss das auf den Bierpreis haben wird, wird sich noch zeigen. Fakt ist jedoch: In Jahren, die von Dürre und Hitzewellen geprägt sind, wird das weltweite Angebot an Gerste – und damit an Bier – abnehmen und die Preise werden steigen.

Vier Maß Bier stehen auf einem Biertisch, herum sitzen Menschen auf dem Oktoberfest. Ist die Klimakrise auch eine Bierkrise?
Klar und leuchtend gelb mit einer Schaumkrone: So sieht eine gut eingeschenkte Maß aus. In Zukunft könnte das anders sein. Foto: Astrid Sailer

Klimawandel stößt bitter auf

Wie Bier in Zukunft schmecken wird, hat sich eine Brauerei für einen Marketinggag mit ernsthaftem Hintergrund angeschaut. Um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, hat die erste „zertifiziert klimaneutrale Brauerei der Welt“, wie sie sich selbst nennt, ein Bier gebraut, das nachempfinden soll, wie das Getränk in einer klimagebeutelten Zukunft schmecken könnte. Um auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, wurde das Bier von New Belgium Brewing, mit Sitz in Colorado, aus weniger hochwertigen Zutaten hergestellt. Diese seien für Brauer in einer vom Klima verwüsteten Zukunft besser verfügbar und erschwinglicher, so die Brauexperten. Zu den Inhaltsstoffen des Krisenbiers gehören etwa rauchgeschwängertes Wasser, dürreresistenteres Getreide und klimafester Löwenzahn. Richtig gelesen, Löwenzahn. Das „Torched Earth Ale“ macht seinem Namen alle Ehre. Die Geschmackstester*innen befinden: Die Zukunft schmecke scheußlich.

Glaskugel

Wie wird es nun in Zukunft um Geschmacksknospen und Geldtascherl der österreichischen Bierliebhaber*innen bestellt sein? Professor Hans-Peter Kaul, Leiter des Departments für Nutzpflanzenwissenschaften an der Boku Wien, sieht die Gerste in Österreich nicht zu stark betroffen. Seine Einschätzung: „Ich würde das Thema nicht zu hoch hängen. Gerste ist unter den Getreidearten eine der trockenresistenten, Weizen ist da deutlich empfindlicher. Der Klimawandel bewirkt, dass landwirtschaftliche Rohstoffe teurer werden. Aber man wird weiterhin in der Lage sein, für die Bierproduktion geeignete Gerstenmalz herzustellen. Außer bei den Preisen erwarte ich keine großen Veränderungen.“ Eine Verdoppelung des Bierpreises hält er für „hoch angesetzt“ – aber es werde auf jeden Fall teurer werden. „Bei den derzeitigen politischen Verhältnissen bräuchte man eine Glaskugel, um die Preise exakt zu bestimmen“, so der Wissenschaftler. Um sich für die mittelfristige Zukunft zu wappnen, würde zudem bereits an der Gersten-Optimierung geforscht werden.

Fazit

Ein Luxusgut wird das Feierabendseidl wohl nicht werden. Und das ist auch gut so. Denn: „Die Auswirkungen auf das Bier werden unsere geringste Sorge sein“, sagt David Reay, Klimakrisenforscher an der Universität von Edinburgh, Großbritannien. Damit bezieht er sich auf Prognosen über die zukünftigen Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung. „Ich denke, in einer solchen Zukunft werde ich wahrscheinlich ein Bier brauchen, denn es wird ziemlich schlimm werden“, befürchtet der Wissenschaftler.

Keine Zukunft ohne Bier also, sondern eine, in der wir eines brauchen werden. Um dieses Szenario zu vermeiden, ist es unumgänglich, klimaschützende Maßnahmen zu ergreifen, die die Emissionen senken. Ein Anfang wäre das so lange hinausgezögerte Klimaschutzgesetz, das schädliche Treibhausgasen deckeln sollte.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigt sich zuversichtlich, dass die Regierung „auch dieses Gesetz fertigkriegen“ wird. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) gibt sich dafür bis zum Ende der Legislaturperiode 2024 Zeit, wie die Austria Presse Agentur Mitte August schrieb.

Bis das soweit ist, heißt es wohl weiterhin: Abwarten und Bier trinken.


Titelbild: Astrid Sailer