Von Zoonosen und Pollen

Von Zoonosen und Pollen

In regelmäßigen Abständen erweitern wir unser Dossier zu „Klimakrise und Gesundheit in Österreich“. Teil vier des Dossiers widmet sich den Zoonosen und Pollen und erklärt, wie diese mit der Klimakrise in Zusammenhang stehen. Wird es in Zukunft mehr Zecken geben und wie hoch ist die Infektionsgefahr? Wie sieht die Zukunft von Pollenallergiker*innen angesichts der Klimakrise aus und welche Möglichkeiten gibt es, um sich zu schützen?

Zoonosen 

Spätestens mit dem Beginn der Covid-19 Pandemie ist wahrscheinlich jede*r von uns schon einmal über den Begriff Zoonose gestolpert. Was genau versteht man aber unter einer Zoonose und was kommt da mit der Erderhitzung noch auf uns zu?

Unter Zoonosen versteht man Krankheiten, die sich von anderen Tieren auf Menschen – oder auch umgekehrt bzw. wechselseitig – übertragen lassen. Die Krankheiten selbst werden aber vor allem durch Viren oder Bakterien ausgelöst, welche sich nach einem Wirtswechsel oft rasend vermehren. Dabei sind vor allem jene Zoonosen gefährlich, die sowohl bei Tieren als auch bei Menschen auftreten können und auch in beide Richtungen übertragbar sind. Mittlerweile sind mehr als 200 solcher Erreger bekannt.  

Obwohl Zoonosen erst seit kurzem auch in Europa wieder im Fokus stehen, begleiten sie den Menschen schon seit Jahrtausenden. So wurde zum Beispiel die Pest, die damals mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung das Leben kostete, vom Bakterium Yersinia pestis ausgelöst, welches ursprünglich Rattenflöhe parasitierte. Und die Humanen Immundefizienz-Viren (HIV), sprangen aller Wahrscheinlichkeit nach von Schimpansen auf den Menschen über.   

Anstieg der Zoonosen

Doch vor allem heute werden Zoonosen immer häufiger und gefährlicher. Laut dem neuesten Report des International Livestock Research Institutes der UNEP (United Nations Environment Programme) sind mittlerweile fast 60 Prozent der menschlichen Infektionen auf zoonotische Erreger zurückzuführen. Die Covid-19 Pandemie war deshalb für viele Forscher*innen keine große Überraschung mehr. Doch warum sehen wir so einen starken Anstieg bei Zoonosen, obwohl sowohl bei der Lebensmittelkontrolle als auch bei Hygienestandards strengere Regeln gelten als noch in früheren Zeiten?

Wissenschaftler*innen führen den rapiden Anstieg von Zoonosen vor allem auf Faktoren zurück, die mit der exzessiven Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Klimakrise im Zusammenhang stehen. Klimatische Faktoren spielen eine tragende Rolle in der Krankheitsentwicklung, da sie sowohl den Krankheitserreger als auch den Wirtsorganismus beeinflussen. Wärmere Temperaturen können beispielsweise das Wachstum von Krankheitserregern anregen und zugleich auch die Zeitspanne verlängern, in der sich die infektiösen Organismen über das Jahr hinweg verbreiten können. Gleichzeitig beeinflusst die Hitze die Verbreitungsmuster der Wirtsorganismen. Diese können dadurch häufiger mit Menschen in Kontakt kommen. 

Ein Blick auf Österreich: Zecken und Mücken

Laut Franz Rubel vom Institut für Öffentliches Veterinärwesen der Veterinärmedizinischen Universität Wien werden sich vor allem von Insekten übertragenen Zoonosen durch die Klimakrise weiter ausbreiten. In Österreich stehen hier insbesondere Zecken und Mücken als Überträger im Fokus. 

Zecken

Schon seit Jahren gelten große Teile Österreichs als Risikogebiete für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Aber auch Fälle von Lyme-Borreliose – ausgelöst durch die von Zecken übertragenen Borrelia-Bakterie – könnten in Zukunft häufiger werden. Das liegt vor allem daran, dass sich die steigenden Temperaturen positiv auf den Lebenszyklus der Zecken auswirkt, die ab fünf bis sieben Grad Celsius aktiv werden. Werden diese Temperaturen eher erreicht, können die Tiere früher aktiv werden und sich so schneller vermehren. Dass die erhöhten Temperaturen auch zu einer Abnahme der jährlichen Frosttage führen, kommt den Tieren nur allzu gelegen. Forscher*innen gehen davon aus, dass Zecken so in Zukunft auch in höheren Gebirgslagen vermehrt vorkommen könnten. Parallel dazu breiten sich verschiedene Zeckenarten auch immer weiter Richtung Norden aus. Forscher*innen rechnen deshalb mit einem Anstieg der von Zecken übertragenen Krankheiten in den nächsten Jahren. 

Umso notwendiger ist es deswegen vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um eine Infektion zu vermeiden. Die FSME-Impfung ist dabei ein wichtiger Schritt, um sich vor einer Infektion zu schützen. Obwohl über 80 Prozent der in Österreich lebenden Menschen zumindest einmal gegen das Virus geimpft sind, liegt der Anteil jener Personen, bei denen der Impfschutz tatsächlich aktiv ist, nur bei 62 Prozent. Es lohnt sich deshalb einen kurzen Blick in den Impfpass zu werfen, denn die FSME-Impfung lässt sich für wenig Geld einfach und schnell beim Hausarzt oder im Gesundheitszentrum auffrischen. 

Eine Zecke auf einem Blatt
Nur 62 Prozent der Menschen sind in Österreich gegen Zecken geimpft. © unsplash.com

Mücken 

Mücken profitieren ebenso durch die Klimakrise. Forscher*innen des Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) zufolge, könnte vor allem die Kombination aus längeren Wärmeperioden und Starkregenereignissen einen Wachstumsschub bei den Stechmücken-Populationen hervorrufen. Als Überträger von bis zu 20 Krankheiten darunter Gelb- und Dengue-Fieber – steht vor allem die Asiatische Tigermücke im Zentrum der Forschung. Prognosen zufolge wird sich diese Art in den kommenden Jahrzehnten wohl zumindest in den Sommermonaten in Europa und damit auch Österreich etablieren. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahrzehnten fast eine Milliarde Menschen mehr als bisher solchen Viren ausgesetzt sein wird – 230 bis 470 Million davon alleine in Europa. Ein Stich führt zwar nicht direkt zur Infektion, und, das Ansteckungsrisiko in Europa sollte in den nächsten Jahrzehnten weiterhin gering bleiben. Dennoch: Je besser wir die Erderhitzung einbremsen, desto besser können wir uns vor der Asiatischen Tigermücke und anderen gefährlichen Arten schützen.

Eine Mücke auf einem Blatt
Stechmücken fühlen sich durch die Erderhitzung immer wohler. Sie sind Überträger vieler zoonotischer Krankheiten. © unsplash.com

Pollen

Ähnlich wie Zoonosen begleiten auch Pollenkörner die Menschheit schon seit Beginn ihrer Geschichte. Doch während sich der Frühling für viele Menschen wie das Aufatmen nach einer langen Winterpause anfühlt, bedeutet der Frühlingsbeginn für einen immer größer werdenden Teil der Erdbevölkerung genau das Gegenteil. Denn mit dem Beginn des Frühlings startet auch die Pollensaison und damit das ständige Niesen und Schnäuzen bei vielen Allergiker*innen. 

Pollen – auch Blütenstaub genannt – sind eigentlich harmlos und werden vom männlichen Teil der Pflanzen für die Fortpflanzung produziert. Erst eine Fehleinschätzung des Immunsystems führt dazu, dass die minutiösen Körner lästige Symptome wie Heuschnupfen auslösen. 

Besonders windbestäubte Pflanzen, die – wie der Name schon sagt – den Wind nutzen, um ihre Pollenkörner zu verbreiten, sind verbreitete Auslöser allergischer Reaktionen. Dies liegt vor allem daran, dass sie oft mehr Pollen produzieren und deshalb stärkere Symptome auslösen können. Bei den Pflanzen handelt es sich meist um Bäume oder Gräser. Besonders die Birke muss hervorgehoben werden, denn mittlerweile reagieren fast 50 Prozent der Menschen, die Allergien gegen Frühjahrsblüher entwickeln, allergisch auf Birkenpollen.   

Pollen und die Klimakrise

Mittlerweile wissen wir mit Sicherheit, dass die Klimakrise auch negative Auswirkungen für Pollenallergiker*innen mit sich bringt. Das liegt vor allem am Blühvorgang der bei den meisten Pflanzen durch eine kontinuierliche Wärmeperiode im Frühling eingeleitet wird. Durch die erhöhten Temperaturen verschiebt sich diese Periode immer weiter an den Jahresbeginn. Die Pflanzen können somit früher, aber auch länger blühen. Denn es bleibt länger warm. Gleichzeitig führen die höheren CO2- und Umweltschadstoff-Konzentration in der Luft dazu, dass Pflanzen mehr Pollen produzieren können. Insgesamt bedeutet das also, dass sich durch die Klimakrise sowohl die Dauer als auch die Intensität der Pollensaison erhöhen könnte. 

Zudem beeinflusst die Klimakrise auch die Zusammensetzung des in der Luft befindlichen Pollengemisches. Damit gibt es für viele Allergiker*innen zumindest auf lange Sicht gute Nachrichten, denn  Birkenpollen könnten sich etwa in Zukunft auf höhere Lagen beschränken. Das liegt vor allem an höheren Temperaturen und längeren Trockenperioden. Diese werden den Birken stärker zusetzen, denn die Baumart ist eher feuchtere Lebensräume gewöhnt und auf die zunehmende Trockenheit nicht vorbereitet. 

Eine neue Gefahr: Neophyten 

Eine weitere Gefahr droht durch die fortschreitende Erderhitzung: Immer mehr Pflanzenarten finden ihren Weg nach Österreich, die hier eigentlich gar nicht heimisch wären. Diese sogenannten Neophyten sind oft die Quelle neuer Allergien. Problematisch ist in Österreich vor allem die Beifußblättrige-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia). Eine einzige Blüte dieser Pflanze kann bis zu eine Milliarde Pollenkörner enthalten. Schon eine zehnmal geringere Konzentration als bei den Birkenpollen genügt, um bei Allergiker*innen Heuschnupfen-ähnliche Symptome hervorzurufen. Als Spätblüher blüht die Beifußblättrige-Ambrosie zudem erst im August und September und wirkt daher komplementär zu Frühblühern wie der Birke. Dadurch gibt es über das Jahr hinweg immer weniger Pausen für Pollenallergiker*innen. Sie kommen kaum mehr zur Ruhe. Und die Ambrosie ist nicht allein: Es ist durchaus denkbar, dass auch andere Arten wie beispielsweise Olivenbäume in Zukunft in Österreich öfter zu sehen sein werden. Für die einen bedeutet das eine leckere Mahlzeit – für andere zusätzliche Allergien.

Eine Ambrosia-Pflanze.
Die Ambrosia blüht erst zum Herbst hin. Mit ihrem vermehrten Aufkommen verlängert sich auch die Allergie-Saison. © G. Bailly

Allergien werden häufiger

In Österreich sind mittlerweile rund 15 Prozent der Bevölkerung von Pollenallergien betroffen. Vor 80 Jahren waren es noch weniger als ein Prozent. Ein ähnlicher Anstieg lässt sich auch in vielen anderen Industriestaaten beobachten. Expert*innen gehen davon aus, dass der Anstieg auch auf fehlende Expositionen im Kindesalter mit dem Allergen zurückzuführen ist. Unser Körper weiß nicht, was da auf uns zukommt, und schätzt die Situation dementsprechend falsch ein.

Kinder, die mehr Zeit im Haus statt draußen in der Natur verbringen, haben ein höheres Risiko für eine spätere Pollenallergie. Laut Jeroen Buters vom Zentrum für Allergie und Umwelt der TU München ist es deshalb wichtig, Kinder bewusst Pollen auszusetzen, bevor Allergien überhaupt entstehen. Zusammen mit Kolleg*innen hat er deshalb das elektronische Polleninformationsnetzwerk ins Leben gerufen. Dieses soll den Pollenflug in Bayern erfassen.  Das Netzwerk bietet einerseits wertvolle Informationen für Allergiker*innen, die so die Pollenlage besser einschätzen können. Andererseits kann sich Buters auch vorstellen, dass es in Zukunft so etwas wie einen „Allergie Prevention Day“ geben könnte – also einen Tag mit besonders dichtem Pollenflug, an dem sich Nicht-Allergiker*innen bewusst den Pollen aussetzen, um spätere Erkrankungen zu vermeiden.  

Allergiker*innen leiden durch die Klimakrise immer länger. © APA/Martin Hirsch

In Österreich gibt es mit dem Pollenwarndienst der Medizinischen Universität Wien ein ähnliches System. Auf deren Website kann man mittels Postleitzahl die Pollensituation in ganz Österreich mitverfolgen. So lässt sich die Belastung zumindest teilweise vermeiden. Oder auch nicht – je nachdem, was das Ziel ist.  

Fazit: Je länger wir mit dem Klimaschutz warten, desto eher fliegen uns die Pollen und Zoonosen um die Ohren

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sowohl Pollenallergien als auch Zoonosen in engem Zusammenhang mit der Klimakrise stehen. Je mehr wir wirksame Klimaschutzmaßnahmen verzögern, desto häufiger werden solche und ähnliche Krankheitsbilder wohl in Zukunft auftreten. Vor allem fremde  Arten werden dadurch eine größere Rolle spielen. Auch hier zeigt sich –  wie so oft –  ein Zusammenhang zwischen der Klimakrise und unserem Umgang mit der Natur. Ein weiteres Beispiel dafür, dass ein nachhaltiger und bewusster Umgang mit den natürlichen Ressourcen und Lebensräumen dieser Welt für die menschliche Gesundheit unumgänglich ist.  

Der Autor empfiehlt:

Den Podcast Morgen beginnt heute – der Pollenflug verändert sich durch den Klimawandel des bayrischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz und die App des Pollenwarndiensts.

Ilustration: Blanka Vaszi