Klimajournalismus aus Südafrika: Die Rettermentalität loslassen

Klimajournalismus aus Südafrika: Die Rettermentalität loslassen

Die Probleme Südafrikas lassen sich bis zu einem gewissen Grad auf den Klimawandel zurückführen, sagt Kgalaletso Moerane, Gründer des südafrikanischen Magazins “Peeple of the Soil”. Was in Europa über den Klimawandel geschrieben wird, stimme aber oft nicht mit dem überein, was die Menschen im globalen Süden sagen möchten, erklärt Sisipho Ntsabo, die bald CEO des multimedialen Magazins sein wird. Man müsse in einer Sprache sprechen, die die Menschen verstehen können, so Ntsabo. Und über Lösungen, die sich an Afrika orientieren.

Was ist die Vision von “Peeple of the Soil”?

Moerane: Wir wollen Menschen informieren und inspirieren. Deshalb nehmen wir ihre Geschichten auf oder helfen ihnen mit unserer Zusammenarbeit. Wir möchten sie ermutigen, sich ihr Leben neu vorzustellen: Was bedeutet es im 21. Jahrhundert, Afrikaner*in zu sein? Wir müssen verstehen, dass wir uns selbst heilen müssen, bevor wir das Klima heilen können. Ich sage nicht: ‘Hey, hört auf, Plastik zu benutzen.’ Wir verstehen, dass das für manche Menschen schwierig sein kann. Stattdessen sagen wir: ‘Hey, wisst ihr, welche Auswirkungen das Plastik hat, das ihr benutzt? Kennt ihr schon diese eine coole Person in Uganda, die diese nachhaltigen Taschen herstellt? Ihr solltet sie kennenlernen.’

Ntsabo: Wir wollen über sozioökologische Themen und die damit verbundenen Herausforderungen und Lösungen informieren. Ein multimediales Magazin, in dem alles auf Afrika ausgerichtet und jugendorientiert ist. Es geht um Nachhaltigkeit, um sozioökologische Herausforderungen und darum, etwas für die Menschen zu bieten. Wir haben auch jedes Jahr eine Sonderausgabe zum Klimawandel, weil wir gesehen haben, dass die Art und Weise, wie der globale Norden darauf reagiert und darüber schreibt, nicht mit dem übereinstimmt, was wir zu sagen haben.

Was bedeutet es, Klimajournalistin oder Klimajournalist in Südafrika zu sein?

Ntsabo: Klimajournalist*in in Südafrika zu sein, weicht nicht davon ab, was in Südafrika sonst so passiert. Leider gibt es nicht genug Ressourcen, um die Massen zu erreichen. Für mich bedeutet das, dass ich eine Journalistin ohne Ressourcen, ohne Plattform und ohne Publikum bin. Die Probleme und Herausforderungen betreffen zwar viele Menschen, aber die Reaktionen und die Lösungen erreichen sie nicht schnell genug. Deshalb haben wir unser Medium gegründet. Wir sind eine Non-Profit-Organisation, weil wir keinen Gewinn erzielen, sondern nur Beiträge veröffentlichen. Wenn man nicht zu den großen Konzernen gehört, ist es als unabhängiger Journalist oder unabhängiges Medium ziemlich schwierig, über die Klimakrise zu schreiben.

Moerane: Es ist aber auch ziemlich aufregend, weil es so viele neue unabhängige Publikationen gibt. Die Probleme, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, lassen sich bis zu einem gewissen Grad auf den Klimawandel zurückführen. Das versuchen wir abzubilden.

Welche Rolle spielen Medien im Klimadiskurs in Südafrika?

Ntsabo: In erster Linie müsse die Medien aufklären, informieren und objektiv sein. Vieles aus dem Globalen Norden ist Jargon – eine Menge Wörter, die die Leute nicht verstehen. Als südafrikanische Journalist*innen müssen wir in einer Sprache sprechen, die die Menschen verstehen können. Wir müssen über Erfahrungen schreiben, die sich auf Südafrika beziehen und über Lösungen, die afrikanisch orientiert sind.

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen ihr bei eurer Arbeit konfrontiert seid?

Ntsabo: Eines der größten Probleme ist, dass wir die Menschen vor Ort nicht so gut erreichen können. Im Moment sind wir ein Online-Medium. Die Menschen, die wir erreichen wollen, leben teils in einkommensschwachen Gegenden. Wir fragen uns deshalb, wie wir sie besser erreichen können? Denn wir wollen für alle zugänglich sein. Zudem haben wir kaum Zugang zu Gesprächen und Diskussionen, die im globalen Süden geführt werden. Wir sind noch dabei, unser Netzwerk auszuweiten und Beziehungen zu Menschen in der Regierung aufzubauen. Und schließlich denke ich, dass eines der größten Probleme die fehlende Unterstützung durch die Regierung ist. Es gibt natürlich Praktika und Stipendien, aber die sind begrenzt.

Kgalaletso Moerane trägt einen weißen Pullover und lächelt in die Kamera. Das Bild ist in schwarz-weiß gehalten.

Moerane: Wir finanzieren das meiste aus der eigenen Tasche. Ich bin 27 Jahre alt und die meisten von uns sind zwischen 25 und 27. Wir versuchen immer noch, unsere Mieten zu bezahlen. Die Dinge werden nicht billiger, das ist uns klar.

Auf eurer Website und auch im Interview sprecht ihr von einem afrozentrischen Ansatz im Klimajournalismus. Was bedeutet das für euch und was können wir, zum Beispiel in Österreich, von diesem Ansatz lernen, um die Klimakrise auf globaler Ebene anzugehen?

Ntsabo: In den 1990er Jahren wollten viele afrikanische Anführer*inne afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme finden. Der Grund waren die verdammenden Auswirkungen des Kolonialismus und – in unserem Fall – der Apartheid. Wir wollen in erster Linie afrikanischen Schriftsteller*innen und Wissenschaftler*innen den Vorrang geben, die hier leben, das Land geerbt haben und Zugang zu indigenen Wissenssystemen haben, die ihnen bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen können. Es geht nicht darum, dass wir den Westen oder den Norden ausschließen. Aber es gibt so viele Informationen über den Klimawandel hier in Afrika. Die Menschen hier wissen, wovon sie sprechen. Sie haben Zugang zu anderen wichtigen Menschen, die die akademische Welt nicht sieht oder nicht für wichtig erachtet – also „Sozialwissenschaftler*innen“ wie Ihre Großmutter, ihre Familie.

Zweitens, wenn du dir die afrikanische Methodik ansiehst, wirst du sehen, dass unsere Beziehung zur Natur und zur Erde sich sehr von dem unterscheidet, wie der Norden die Beziehung zur Erde beschreibt. Wir betrachten sie als Quelle, als Licht, als das Höchste. Wir haben all diese religiösen, gemeinschaftlichen Nuancen, die, wenn wir sie in die Diskussionen über den Klimawandel einbeziehen, für die Menschen zugänglich werden. Weil wir auf eine Weise darüber sprechen, die sie verstehen.

Moerane: Amen. Es geht auch darum, den Menschen zu erlauben, ihre eigenen Geschichten zu erzählen. Die Menschen im globalen Norden, beispielsweise in Österreich, müssen lernen zuzuhören. Man sollte nicht so schnell urteilen und sagen: ‚Oh, das klingt seltsam‘. Lasst uns offen sein für andere Lebensweisen, andere Arten des Verständnisses, andere Arten der Koexistenz.

Wie können Journalisten aus anderen Teilen der Welt die Klimafragen im globalen Süden besser verstehen und darüber berichten?

Moerane: Man sollte den Menschen eine Plattform geben, um ihre Geschichte zu erzählen. Wir sollten die Situation aber auch nicht zu sehr aufbauschen. Wir machen daraus eine Untergangsstimmung: ‚Die Welt wird untergehen‘ – so etwas in der Art. Ja, die Welt, wie wir sie kennen, wird definitiv untergehen. Die Welt, wie wir sie kennen, wird sich massiv verändern. Aber ich denke wir sollten versuchen, die Menschen zu ermutigen und zu inspirieren, sich die Welt anders vorzustellen.

Ntsabo: Journalist*innen aus anderen Teilen der Welt sollten Allianzen bilden und Beziehungen mit Organisationen wie uns, mit Medienorganisationen, Medienhäusern, Sozialwissenschaftler*innen und Akademiker*innen ausbauen. Und sie müssen von jeglicher Rettermentalität oder jeglichem Retterkomplex loslassen. Wir stehen nicht über jemandem. Wir geben niemandem eine Stimme. Es gibt niemanden, der stimmlos ist. Es geht auch darum, den Menschen im globalen Süden Zugang zu den Räumen zu ermöglichen, die man selbst hat. Wenn ihr also ein Netzwerk und Verbindungen habt und uns in die Gespräche einbeziehen könnt, dann schafft ihr Räume für uns – buchstäblich. Gemeinsam können wir etwas entwickeln, das die Massen anspricht, sodass man es im globalen Norden akkurat beschreiben und das Problem wirklichkeitsgetreu darstellen kann.