Der Klimawandel zwingt Städte zur Anpassung gegenüber Hitze, Trockenheit und Starkregen. Besonders der Autoverkehr nimmt wertvollen Raum ein, den Städte wie Wien dringend für Anpassungsmaßnahmen benötigen.
Gastbeitrag von Jakob Mitterhauser
Weltweit zieht es immer mehr Menschen in urbane Regionen – in Europa leben bereits 75 Prozent der Bevölkerung in Städten. Diese Ballungsräume sind vom Klimawandel besonders betroffen. Extremereignisse wie Starkregen und besonders Hitzewellen führen zu einer erhöhten Sterblichkeit und beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich.
Daher wird vor allem in städtischen Gebieten die Anpassung an den Klimawandel immer wichtiger. Städte sind aufgrund des urbanen Wärmeinseleffekts, der unter anderem durch die hohe Versiegelung und den Mangel an Grünflächen verursacht wird, wärmer als ihre ländliche Umgebung.
Gemeinsam mit dem Klimaschutz bildet die Klimawandelanpassung die zwei Säulen der Klimapolitik. Während es beim Klimaschutz um die Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid geht, bezieht sich Klimawandelanpassung auf die Maßnahmen, die ergriffen werden, um die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels zu bewältigen. Denn inzwischen ist klar: Die menschengemachte Klimakrise bringt unvermeidbare Folgen mit sich.
Maßnahmen: Mehr Begrünung und Entsiegelung
Es gibt bereits zahlreiche Maßnahmen, um die Hitze im städtischen Raum zu reduzieren. Da wäre zum einen die Begrünung: Bäume können durch Verdunstung und Beschattung die Umgebung effektiv kühlen. Außerdem haben Grünflächen eine geringere Oberflächentemperatur, nehmen mehr Wasser auf, verdunsten es und speichern weniger Wärme.
Eine weitere Maßnahme ist der Schutz von Kaltluftsystemen. Diese natürlichen Systeme bringen nachts kühlere Luft in die Stadt. Dafür müssen Entstehungsgebiete geschützt und die Leitbahnen freigehalten werden. Auch die Verbesserung der Gebäudestruktur und -ausrichtung in Bezug auf Wind, Kaltluft und Beschattung ist wichtig. Was diese Empfehlungen alle gemeinsam haben: Sie brauchen viel Platz. Besonders in Städten ist dieser häufig begrenzt.
Verkehrsberuhigung als Chance für Klimawandelanpassung
Der Verkehr nimmt vor allem in der Stadt sehr viel Platz in der Stadt ein: In Wien macht das Straßennetz etwa zehn Prozent der Gesamtfläche aus. Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie Fahrverbote, weniger Fahrspuren und Parkplätze, höhere Parkgebühren, eine City-Maut, höhere Spritpreise oder Geschwindigkeitsreduktionen führen dazu, dass weniger Menschen das Auto benutzen. Der so gewonnene Raum kann in Grünflächen umgewandelt werden, die Hitze mildern und bei Starkregen Wasser aufnehmen können. Auch in Wien wäre Verkehrsberuhigung in diesem Sinne wichtig.
Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) kündigte zudem eine Novelle der Straßenverkehrsordnung an, die kameraüberwachte Zufahrtskontrollen in Innenstädten ermöglichen und so für Verkehrsberuhigung sorgen soll. So soll auch in Wien die Verkehrsberuhigung in der Inneren Stadt kommen. Hinsichtlich der Folgen der Klimakrise für die gesamte Stadt wird klar, dass Verkehrsberuhigung nicht nur im ersten Bezirk notwendig ist.

Foto: Stefan Jungreithmeir.
Positive Beispiele sind die Mariahilfer Straße, wo die Begegnungszone Platz für alle bietet und große Alleebäume für Schatten und angenehmen Aufenthalt sorgen. Auch bei der Umgestaltung der Praterstraße wurde eine Fahrspur für den Autoverkehr zugunsten von Radwegen und Begrünung entfernt. Die Wiener Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) betont gegenüber dem Standard außerdem den Plan, Parkplätze für Begrünungen zu nutzen.
Wien hinkt eigenen Zielen hinterher
Der Ansatz der Verkehrsberuhigung passt zu vielen Strategien der Stadt Wien. Das wäre zum Beispiel der Wiener Klimafahrplan oder die Smart Klima City Strategie Wien. Im Fachkonzept Mobilität des STEP2025 ist das Ziel 80:20 definiert: „Die Wienerinnen und Wiener sollen bis 2025 80 Prozent ihrer Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Rad oder zu Fuß zurücklegen. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs soll von derzeit 28 auf 20 Prozent zurückgehen.“ 2024 lag der Anteil bei 25 Prozent. Daher sind weitere Maßnahmen erforderlich, um das Autofahren unattraktiver zu machen.
Verkehrsplanungsexperte Tadej Brezina von der TU Wien sagt gegenüber dem ORF, dass es bei Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen in Wien noch viel zu tun gibt. Die „Klimamusterstadt“ Wien hinkt gegenüber anderen Städten stark hinterher. Das beste Beispiel ist aktuell Paris, wo verstärkt Anstrengungen unternommen werden, den Verkehr zu beruhigen. Autofreie Straßen, durchgehende Tempo 30 Zonen und mehr Grünflächen sind nur einige Maßnahmen.
Zukunftsvision Verkehrsberuhigung
Abschließend sei eine kurze Gedankenreise am Beispiel Wien erlaubt. Was würde weniger Autoverkehr bewirken? Zunächst einmal wäre es viel ruhiger, was positiv für Mensch und Tier wäre. Außerdem wäre es sicherer, es gäbe weniger Verkehrstote. Die Luftqualität würde sich deutlich verbessern. Es gäbe mehr Grünflächen, die zur Abkühlung und Wasseraufnahme beitragen und somit Hitze und Starkregen besser bewältigen könnten. Es würde weniger Kohlendioxid und Energie verbraucht werden. Die Stadtbewohner*:innen würden mehr zu Fuß gehen, mehr Rad fahren und weniger Stress hinter dem Lenkrad haben. All das würde die Gesundheit und auch die Lebensqualität in der Stadt fördern. Worauf warten wir noch? Es ist an der Zeit, mutige Schritte zu gehen und die Stadt für die Zukunft zu rüsten.
Jakob Mitterhauser ist Doktoratsstudent am Institut für Meteorologie und Klimatologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Er beschäftigt sich mit Stadtklimatologie und Klimawandelanpassung in der Stadt.
Titelbild: Weatherpark GmbH, Verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße