Da ich selbst in einem Dorf im östlichen Waldviertel aufgewachsen bin und auch meine Großeltern selbst Bauern waren, hat mich dieser Beruf und vor allem die Erzählungen meines Opas wie es früher, vor 50-60 Jahren war, auf einem Bauernhof, ganz ohne Maschinen und mit viel mühsamer Handarbeit zu leben, stets interessiert. Weil meine Großeltern jedoch schon vor meiner Geburt in Pension gingen, kannte ich das tägliche Leben und Arbeiten am Bauernhof nur aus Erzählungen. Mit jeder abenteuerlichen Geschichte, die mir mein Opa über sein Arbeitsleben erzählte, wuchs meine Neugier und der Wunsch, auch selbst einmal ins Leben eines Bauern einzutauchen. Allerdings glaubte ich, dass es ewig bei Neugier bleiben würde, bis mein Professor in der ersten Einheit des französisch Kurses an der Universität Möglichkeiten vorstellte, wie man Frankreich auf unkonventionelle Art kennenlernen und dabei auch noch Geld sparen und sein französisch verbessern kann.
Bei dieser Möglichkeit handelte es sich um die Organisation WWOOF. Dies steht für „World-Wide Opportunities on Organic Farms“. Dieses weltweite Netzwerk wurde 1971 von einer in London lebenden Britin gegründet, die am Wochenende am Leben auf dem Land teilhaben wollte. Heute gibt es WWOOF in über 100 Ländern und über 6.000 Biobauernhöfe nehmen an dem Programm teil. Alle über 100 Teilorganisationen in verschiedenen Ländern eint das Ziel einen naturverbundenen, umweltschonenden Lebensstil vermitteln und damit zum Austausch zwischen Land- und Stadtbevölkerung, sowie Produzenten und Konsumenten beitragen wollen.
„WWOOF ist eine weltweite Bewegung, die freiwillige Helfer/-innen mit Bio-Bäuerinnen und -Bauern in Verbindung setzt, um kulturelle Erfahrungen und Lernerfahrungen zu fördern, wobei auf einer Grundlage von Vertrauen und geldlosem Austausch eine nachhaltige, globale Gemeinschaft aufgebaut wird.“ – International WWOOF Conference in Korea, 2011
Sofort war ich begeistert und beschloss, in den Sommerferien den Versuch zu wagen eine Zeit lang auf einem Bauernhof in Frankreich zu verbringen.
Die Registrierung bei WWOOF France war schnell erledigt und auch die 25€ Jahresmitgliedsbeitrag waren gleich überwiesen. Dies ist notwendig um Zugriff zu den Kontaktdaten der Bauernhöfe zu bekommen. Auf den Profilen der einzelnen Bauern sieht man Fotos und eine Beschreibung von der Arbeit und dem Leben, das einen auf dem Bauernhof erwartet.
Ende Juni begann ich damit einige Familien zu kontaktieren. Dabei war es gar nicht so leicht relativ kurzfristig etwas zu finden, denn das Leben am Bauernhof erfreut sich – vor allem unter jungen StudentInnen – großer Beliebtheit. Da ich in die Gegend um Bordeaux in Südwestfrankreich wollte, entschied ich mich für die Farm von Rémi. Das Vereinbaren des Treffpunktes und der Aufenthaltsdauer verliefen trotz meines etwas eingerosteten Französischs problemlos. Da ich aufgrund meines CO2-Fußabdrucks nicht fliegen wollte, entschloss ich mich mit dem Zug bis nach Bordeaux zu fahren, von wo mich Rémi mit dem Auto abholte. Im Vorhinein war ich schon etwas gespannt wie das Leben bei einer vollkommen fremden Familie werden würde und vor allem ob meine Französischkenntnisse ausreichen würden, um mich auch zu verständigen. Dass diese Sorgen unbegründet waren, merkte ich sehr schnell. Auf der idyllischen Farm, die Rémi gemeinsam mit seinem Bruder bewirtschaftet, fühlte ich mich sofort wie zu Hause und wurde auch wie ein neues Familienmitglied aufgenommen.
Am ersten Tag nach der Ankunft ging es gleich mit der Arbeit los. Wir standen jeden Tag um 7:30 auf, aßen unser Frühstück – natürlich frisches Baguette mit gesalzener Butter – und begannen dann mit dem Gießen der Pflanzen rund um das Haus und der Gemüsebeete. Neben der täglichen morgendlichen Gießrunde hatte ich auch noch viele andere Aufgaben zu erledigen wie zum Beispiel frisch gepresstes Sonnenblumen-, Raps- und Leinöl in Flaschen abzufüllen, den Hühnerstall und eine Scheune umzubauen und zu reparieren, die Gästezimmer zu putzen, zu kochen, Rasen zu mähen, den Pool zu reinigen und auch bei der Holzarbeit zu helfen. Kein Tag war wie der andere und das machte es besonders spannend und abwechslungsreich. Die Organisation WWOOF gibt vor, dass man täglich nicht mehr als vier Stunden arbeiten muss, was mir ziemlich egal war, da mir die Arbeit großen Spaß machte und Rémi musste mich manchmal fast dazu zwingen, mir am Nachmittag eine Auszeit zu nehmen.
In meiner Freizeit machte ich oft Fahrradtouren durch die riesigen Wälder rund um den Bauernhof und besichtigte umliegende Dörfer. Außerdem hatte ich genug Zeit zum Lesen und auch um den Swimmingpool im Garten zu genießen.
Interessant waren auch die Unterhaltungen mit Rémi über die aktuelle Situation der LandwirtInnen in der Region und in ganz Frankreich. Hier bot sich mir exakt dasselbe Bild, wie das der Bauern in Österreich: Im Südwesten von Frankreich sind die Bauern von heißeren Sommern und immer häufiger auftretenden extremen Wetterphänomenen betroffen. Eine weitere große Herausforderung mit denen die LandwirtInnen konfrontiert sind, sind die niedrigen Preise für Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte. Das führt dazu, dass auch in der Region um Bordeaux viele Bauern keine Nachfolger für ihre Höfe finden und die jungen Leute in die Ballungsräume ziehen, während die ländlichen Regionen immer dünner besiedelt werden.
Nach zehn Tagen am Bauernhof fiel es mir schwer, mich zu verabschieden und wieder nach Hause zu fahren. Insgesamt habe ich in der Zeit sehr viel über Landwirtschaft und das Leben als Bauer gelernt. Auf der einen Seite ist es ein enorm schöner und vor allem sehr wichtiger Beruf, da man täglich in und mit der Natur arbeiten kann und man sprichwörtlich sehen kann, wie die eigene Arbeit Früchte trägt. Auf der anderen Seite ist es ein sehr anstrengender und schweißtreibender Job, der einen manchmal bis kurz vor die Verzweiflung bringen kann, da man das ganze Jahr auch noch so hart arbeiten kann, aber alles umsonst war, wenn der Hagel die Ernte zerstört.
Ich kann WWOOF jeder/m empfehlen, der/die mehr über die Natur und das Leben am Bauernhof erfahren möchte. Außerdem ist eine gute Gelegenheit, um neue Leute zu treffen und andere Länder besser kennenzulernen, sowie seine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern.
https://wwoof.net/ WWOOF International
https://www.wwoof.at/ WWOOF Österreich
https://wwoof.fr/ WWOOF Frankreich
https://de.wikipedia.org/wiki/WWOOF Wikipedia Artikel WWOOF