Zwei Bedrohungen. Die eine, von der wir immer nur in der Zukunftsform sprechen, die jetzt aber langsam und sicher uns donnernd überrollen wird und die andere, die in diesem Moment an unsere Türen klopft, Leute in Panik versetzt und sofortige Konsequenzen für unseren Lebensalltag bedeutet. Wie hängt die Coronakrise mit der Klimakrise zusammen? Man könnte meinen es hat nichts miteinander zu tun. Man könnte meinen, dass jetzt, wo so viele Menschen infiziert sind und sterben, die Priorität wo anders liegen und man die Debatte übers Klima hintanstellen sollte. Aber dem ist nicht so. Genau jetzt ist die richtige Zeit dafür, denn in dieser Pandemie stecken unglaublich viele Chancen in Zukunft richtig zu handeln. Denn unser jetziges Verhalten zeigt sehr viele Parallelen zur Klimakrise.
Das Problem mit den Pandemien:
Es gibt ganz viele wissenschaftliche Gründe dafür, warum diese Pandemie nur eine von wenigen in Zukunft sein wird. Mehr Krankheiten und Seuchen kommen auf uns zu. Warum? Zum einen ist da die Abholzung der Regenwälder. In dieser zum Teil unberührten Natur wimmelt es nur so von Viren und Bakterien, mit denen wir bisher keinen Kontakt gehabt haben und die möglicherweise deutlich schlimmere Symptome und Mortalitätsraten als das Covid-19 aufweisen. Durch die steigende Durchschnittstemperatur und Luftfeuchtigkeit geben wir Erregern außerdem die Chance sich an Hitze anzupassen und sich schneller zu verbreiten. Der Körper bekämpft Erreger mit bis zu 41 Grad Fieber, sollten diese in Zukunft auch höheren Temperaturen standhalten, wird dieser Kampf für den Menschen tödlich ausgehen. Noch dazu kommt, dass wir durch unsere Landwirtschaft und unseren schlampigen Umgang mit Medikamenten in unserer Umgebung multiresistente Keime züchten, die ebenfalls ein hohes Potential für Pandemien bilden und laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eines der dringendsten Probleme unserer Zeit sind. Sowohl die Menschen selbst als auch die Tiere in der Landwirtschaft scheiden viele Stoffe aus aufgenommenen Medikamenten wieder aus und geben sie in die Natur sowie in unser Abwasser über den Harn ab. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Seuche an unsere Türen klopft. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass die 3 größten globalen Probleme, die Klimakrise, die Antbiotikaresistenzen und der Ausbruch von neuen unbekannten Seuchen auf den Verzehr von Fleisch zurückzuverfolgen sind.
Die einzigen Möglichkeiten das zu verhindern sind, die Erderhitzung auf ein Minimum zu beschränken und unsere Gesundheitssysteme darauf vorzubereiten, um im Falle einer neuen Krankheit, möglichst schnell isolierende Maßnahmen setzen zu können. Dass dafür in einigen Ländern der Wille und die Kapazitäten dazu fehlen ist nur ein weiterer Punkt in meiner Liste.
Das Problem mit dem Kapitalismus:
Wie man gerade merkt, funktioniert unsere Welt ohne sinnlosen Konsum und Ausbeutung nicht. Die Wirtschaft bricht zusammen. Unsere Transportketten sind so lang geworden, wir verlassen uns zu sehr darauf, dass Asien uns das liefert was wir brauchen. Das führt nicht nur zu irrsinnig hohen Emissionen, sondern auch zu einer extremen Abhängigkeit. Wir können die Dinge, die wir dringend brauchen wie Medikamente nicht mehr selbst produzieren und wenn diese Kette zusammenbricht hängen alle mit drin.
Ich hoffe, dass diese Pandemie eine Chance für uns ist zu erkennen, dass wir wieder mehr auf lokale Produktion setzen müssen. Das würde in weiterer Folge auch mehr Jobs bei uns generieren und unsere Wirtschaft ankurbeln. Wir müssen wirklich anfangen aus unseren Fehlern zu lernen und uns jetzt nach Alternativen umzusehen! Es kann doch nicht sein, dass Flugzeuge LEER hin- und herfliegen, nur um ihre Slots an den Flughäfen nicht zu verlieren!! Wir bemerken endlich, dass wir doch nicht zu jedem Meeting hinfliegen müssen, oder diese und jene Produkte zum Überleben brauchen. Uns wird gerade klar worauf es wirklich ankommt (und surprise, es ist nicht das Klopapier) und auf welche Dinge man getrost verzichten kann.
Denn jedes Mal, wenn wir uns in einer wirtschaftlichen Rezession befinden, sinken unsere Emissionen. Das ist unsere Chance, jetzt das kapitalistische System zu hinterfragen und zu überdenken, sowie dem unendlichen Streben nach Wachstum und Konjunktur ein Ende zu setzen. Wir können nicht mehr auf Kosten anderer Menschen, unserer Umwelt und jetzt auch unserer Gesundheit konsumieren und produzieren.
Das Coronavirus dämmt CO2-Emissionen schneller und wirkungsvoller als alle Klimakonferenzen und Verhandlungen zusammen ein. Das heißt wenn wir die Krise wirklich ernst nehmen und konsequent handeln haben wir vielleicht sogar noch eine Chance. In China haben wir jetzt seit ein paar Wochen totales Lockdown und was ist passiert? Die Luftqualität hat sich drastisch verbessert! Die Emissionen sind laut der University of Helsinki’s Centre for Research on Energy and Clean Airum um 25% gesunken. Die gestrichenen Flüge, die eingedämmte Produktion von Stahl und der stark reduzierte Kohleverbrauch in Kraftwerken sorgt für eine Verbesserung des Klimas, sogar die Stickstoffkonzentration in der Luft ist um 37% gesunken. Mit einer aktuellen Zahl von um die 3000 Toten, ist die Sterblichkeit von Covid-19 deutlich niedriger als die derer, die an der Nutzung fossiler Brennstoffe sterben, sowie derer, die an den Folgen einer Feinstaubbelastung sterben – jährlich. Dies heißt jetzt aber nicht, dass Corona-Opfer weniger schlimm sind. Auf beide Krisen sollte mit Ernsthaftigkeit und sinnvollen Handeln reagiert werden.
Das was jetzt möglich gemacht wurde für die Bekämpfung der Pandemie, genau dieses schnelle Handeln, die konsequente Umsetzung von ambitionierten Maßnahmen, genau das brauchen wir im eigentlich viel größeren Kampf. Man sieht, globale Maßnahmen und Kompromissbereitschaft sind möglich, Ziele können umgesetzt werden, auch wenn die Wirtschaft davon massiv beeinflusst sein wird (was bei der Klimakrise erwiesenermaßen nicht einmal der Fall sein muss). Und unsere Regierung, schafft es plötzlich farben- und ideologiebefreit Kompromisse einzugehen und das Problem souverän und zusammen mit Expert*innen zu bekämpfen.
Das Problem mit der Gerechtigkeit:
Wie auch in der Klimakrise leiden während dem Corona Ausbruch die ärmsten Menschen am meisten. Sie haben keinen Zugang zu Medikamenten und Behandlung, ihnen fehlen hygienische Einrichtungen, um sich rechtzeitig zu isolieren. Es ist also wieder eine Frage der Solidarität. Sowie es jetzt bedeutet solidarisch zuhause zu bleiben, um Risikogruppen vor einer Infektion zu schützen und den Kollaps unseres Gesundheitssystems zu verhindern, heißt es bei der Klimakrise, auf armutsgefährdete Menschen Rücksicht zu nehmen und bei Maßnahmen jeden zu inkludieren, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen.
Das psychologische Problem:
Jetzt bleibt nur noch die Frage nach dem „Warum?“ offen. Wieso versetzt uns das eine in Panik und das andere wird belächelt? Aus Studien wissen wir, dass uns durch die kognitive Verzerrung, die eine Krise gefährlicher erscheint als die andere. Global und menschheitsgeschichtlich betrachtet ist es nämlich genau umgekehrt: Klimakrise und Artensterben sind für die Menschheit weit bedrohlicher als eine zusätzliche Viruserkrankung, so bedrohlich und potenziell tödlich diese Erkrankung auch sein mag.
Wie vor jeder größeren Bedrohung warnt uns die Wissenschaft rechtzeitig und trotzdem wird sie selten Ernst genommen. Menschen zweifeln, verbreiten Unwahrheiten und erkennen dann oftmals zu spät die Dringlichkeit der Lage. Das liegt zum einen daran, dass unser Gehirn Probleme in der Zukunft als deutlich weniger bedrohlich wahrnimmt als unmittelbar bevorstehende Herausforderungen. Zum anderen, dass die Auswirkungen direkter spürbar sind (Ansteckung eines Angehörigen), wir klimabedingte Tote nur selten tatsächlich mit der Klimakrise verknüpfen. Und das Ausmaß dieser nur schwer für uns vorstellbar und greifbar ist. Deshalb entscheiden wir uns lieber dazu, sie zu ignorieren oder zu leugnen.
Ein letztes interessantes Phänomen, das uns als sehr privilegierte Menschen betrifft: Sobald wir uns mit Maßnahmen konfrontiert sehen, die uns unserer Meinung nach Einschränken (z.B. Quarantäne, Verzicht aufs Auto, Fleischverzicht), umso mehr haben wird das Gefühl ein Recht auf diese Dinge zu haben. Uns fällt es schwer unseren jetzigen Wohlstand, auch wenn es nur kleine Dinge betrifft, aufzugeben und in ein Verhältnis zu dem großen Ganzen zu setzen.
Also mein Appell: Stay at home und plant den Kampf gegen die Klimakrise ab sofort von zuhause aus weiter 😊!
Quellen und weitere Links:
http://www.columbia.edu/~rim2114/publications/AnnRev-2014-Newell-McDonald-Brewer-Hayes.pdf
https://www.greenpeace.org/usa/wp-content/uploads/2020/02/The-Price-of-Fossil-Fuels-full-report.pdf
Weiteres zum Coronavirus und dem Klima
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