Gastkommentar von Pia Gärtner
22. April, an diesem Tag vor 50 Jahren sollen sich 20 Millionen Menschen in den USA an Protesten und Aktionen zum Schutz der Umwelt beteiligt haben – ob die Zahl so stimmt, sei dahingestellt – der erste Earth Day war der Beginn der modernen Umweltbewegung.
2020 ist die Umweltbewegung vor allem mit dem Klima beschäftigt, während Corona rückt diese andere Krise aber ziemlich weit in den Hintergrund. Periphär bekommt man zwar mit, dass der Wald bei Tschernobyl brennt, sonst wird der Diskurs hauptsächlich bestimmt von Corona-Themen. Denkt man jetzt daran, was zu „Umwelt in Zeiten von Corona“ medial so kursiert: Grafiken, die zeigen, wie sehr die Luftverschmutzung in Zeiten des Lockdowns zurückgegangen ist, Fotos vom Himalaya, der ohne Smog in Indien aus der Ferne zu sehen ist, sowas. Eh alles super, ich freue mich über saubere Luft. Aber: Dem Klima ist Corona ziemlich egal.
Dieses „die Natur atmet auf“-Narrativ vermittelt nicht nur einen komplett falschen Eindruck (ein paar Monate weniger Schaden können leider nicht ein fossil-fueled Jahrhundert ausgleichen) – die aktuelle CO2-Reduktion und die saubere Luft unreflektiert medial zu feiern, bedeutet auch eine Bestätigung für jene, die glauben, eine massive Reduktion der Emissionen sei nur mit einer Rückkehr in die Steinzeit und massiven Einschränkungen persönlicher Freiheiten möglich, würde die Wirtschaft zerstören und Millionen Menschen ihre Jobs kosten.
Und die Menschen sind natürlich auch nicht der Virus, der die Erde krank macht, die Emissionen sind es (aber irgendwie ist es schon ein bisschen witzig, dass zum 50. Earth Day alle in ihren Wohnungen hocken müssen).
Jedenfalls: Wenn wir so tun, als ob der Shutdown den Klimawandel abbremst, wird das der Umweltbewegung schlussendich schaden. Außerdem geht es aktuell nicht nur den Klimasündern schlecht, sondern auch allen grünen Institutionen, Projekten, der Forschung, den AktivistInnen.
Bald wird es überall nur darum gehen, die Wirtschaft wieder in Ganz zu bekommen – das sei Priorität. Jetzt muss noch stärker darauf bestanden werden, eine Wirtschaft zu etablieren, die nicht auf Ausbeutung von Menschen und Ressourcen beruht!
Gerade jetzt wäre aber der Weg für eine massivere und längerfristige Reduktion der Emissionen freier, als vor Corona. Klimaschädigende Subventionen könnten gestoppt werden, CO2-Steuern leichter durchgesetzt.
Ja, wir haben gerade alle andere Probleme, aber diese andere Sache wird uns noch länger und heftiger beschäftigen. Corona wird irgendwann vorbei sein, die Klimakrise nicht.
Zur Autorin: Pia Gärtner, 27 Jahre alt, ist freie Redakteurin in Wien. Sie glaubt, dass Medien unglaubliche Macht besitzen – vor allem, wenn es um die öffentliche Anteilnahme an der Klimakrise geht. Deshalb findet sie es wichtig, zu reflektieren, wie wir über das Thema berichten, welche Bilder wir verbreiten und wie wir darüber reden.
(c) Bild von NASA
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