Moderne Stadtplanung: Grün statt Grau

Moderne Stadtplanung: Grün statt Grau

Die Mobilitätswende ist eines der wichtigsten Elemente des Klimaschutzes. Um die Erderhitzung einzudämmen, ist ein Umstieg vom Auto auf klimafreundliche Fortbewegungsmittel notwendig. Ein solcher Wandel muss geplant werden, denn: Die Stadtplanung von heute bestimmt die Mobilität von morgen.

Schaut man aus der Vogelperspektive auf Wien, sieht man vor allem eines: viel Grau. Hier und da gibt es grüne Inseln mit Bäumen, sonst dominieren Gebäude, Straßen und Parkplätze das Bild. Laut den Wiener Linien (ver)braucht der Individualverkehr rund sechs Prozent des Stadtgebiets. Sogar fast ein Drittel der inneren Bezirke ist Verkehrsfläche. In den meisten Städten sieht es ähnlich aus. Das ist kein Zufall. Städte werden seit Jahrzehnten rund um den Automobilverkehr geplant.

Besonders absurd erscheint dieser Flächenverbrauch, wenn man bedenkt, dass die Autos nur einen Bruchteil des Tages in Bewegung sind. Dem österreichischen Verkehrsclub zufolge werden Autos in Österreich durchschnittlich nur eine Stunde am Tag genutzt. Die restlichen 23 Stunden stehen sie einfach in der Gegend herum. Zu keinem Zeitpunkt sind mehr als 10 Prozent der Fahrzeuge gleichzeitig unterwegs.

Eine Fahrradfahrerin fährt auf einem Radstreifen.

Die Anbindung an das Straßennetz ist Verkaufsargument für neue Wohngebiete und wird als grundlegender Bestandteil einer hohen Lebensqualität vermarktet. Die Stadt Wien betont zum Beispiel immer wieder die Notwendigkeit der geplanten Stadtstraße in die Donaustadt. Zur Beruhigung der Verkehrssituation, wie es heißt. Dass mehr Straßen zu weniger Staus führen, ist jedoch ein Trugschluss. Eine Studie des Verkehrsclub Österreich zeigt, dass der Ausbau von Straßen sogar zu einem höheren Verkehrsaufkommen führt. Der Stau ist also nach kurzer Zeit wieder da.

Zweifelsohne ist Mobilität ein wichtiges Gut. Wir alle möchten möglichst schnell und komfortabel von A nach B kommen. Neben dem Auto gibt es aber auch andere Möglichkeiten. Öffentlicher Personenverkehr, Carsharing, das (Elektro-)Fahrrad oder die eigenen Füße. Doch insbesondere Radfahrer*innen und Fußgänger*innen finden in der Stadtplanung kaum Beachtung.

Die Rolle des Verkehrs in der Klimakrise

Im Kampf gegen die Klimakrise ist der Verkehrssektor Österreichs Sorgenkind. Hier ist er für fast ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Während Österreich in anderen Bereichen des Klimaschutzes langsam Fortschritte macht, steigen die Emissionen durch die Mobilität immer weiter. Fast 75 Prozent mehr CO2 als 1990 stößt der Verkehrssektor heute aus. Um die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu begrenzen, ist eine schnelle und umfassende Mobilitätswende unumgänglich.

Während dieser Wandel ländliche Regionen vor größere Herausforderungen stellt, liegt der Weg zur klimafreundlichen Mobilität in den Städten auf der Hand. Das Auto ist eigentlich kein gutes Verkehrsmittel für die Stadt. Dort, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, lohnt es sich kaum, jede*n einzeln in einem Wagen mit Verbrennermotor durch die Gegend zu schicken.

Treibhausgas-Bilanz des Umweltbundesamts. Quelle: https://www.umweltbundesamt.at/klima/treibhausgase
Der Verkehrssektor stößt heute fast 75 Prozent mehr CO2 aus als noch 1990. Eigentlich sollten sich die Emissionen aber in die andere Richtung entwickeln. Foto: Umweltbundesamt

Kopenhagen: Fahrrad und Öffis statt Autos und Asphalt

Wie eine moderne Stadtplanung, die Klima und Lebensqualität zusammen denkt, funktionieren kann, zeigt Kopenhagen. Die Stadt gilt als Hauptstadt des Fahrrads. Schon in den Achtziger Jahren wurde das Fahrrad dort in der Stadtplanung priorisiert. Heute nutzen 63 Prozent der Kopenhagener*innen das Fahrrad. Radschnellwege ermöglichen auch Pendler*innen den schnellen Weg in die Stadt. 

Das Modell Kopenhagen findet mittlerweile internationale Resonanz und dient von Paris bis Detroit als Verkehrs-Vorbild. Der Rückgang der Autos in der Stadt hat auch andere Vorteile: Autofreie Straßen bieten mehr Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer und motivieren dazu, klimaneutrale Optionen zu nutzen. Für längere Strecken bieten sich vor allem in der Stadt öffentliche Verkehrsmittel an. 

Lastenräder auf einem Fahrradweg in Kopenhagen.
Auf Kopenhagens Straßen bestimmen Fahrräder das Verkehrsbild. Foto: Unsplash

Moderne Stadtplanung für mehr Lebensqualität

Eine moderne, nachhaltige Stadtplanung setzt den Fokus auf öffentliche Verkehrsmittel und gestaltet Stadtviertel so, dass Menschen in Fußnähe wohnen, arbeiten, einkaufen und ihre Freizeit genießen können. So minimiert man Wege und benötigt weniger Straßen für den Autoverkehr. 

Erste Versuche in diese Richtung findet man auch in Wien. Zum Beispiel in Form des “Super-Grätzls” in Favoriten, das als Pilotprojekt aber zunächst auf ein Jahr begrenzt ist. Orientiert hat man sich dabei an den Superblocks in Barcelona, in denen ganze Straßenzüge für Autos gesperrt sind.

Das Supergrätzl in Wien. Eine fette Bodenmarkierung verdeutlicht es.
Im „Super-Grätzl“ in Wien Favoriten werden verschiedene Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung für ein Jahr lang getestet. Foto: Jannik Hiddeßen

Die freiwerdenden Flächen, die den Autos entzogen werden, sind zudem eine große Chance. Sie können begrünt werden, unterschiedliche Gastronomie oder Kulturprojekte beherbergen oder zu unzähligen anderen Zwecken genutzt werden. 

Stell dir vor, du sitzt an einem sonnigen Tag vor einem Café. Statt brummendem Autoverkehr hörst du spielende Kinder und das Gezwitscher der Vögel. Du bist umgeben von Bäumen und Büschen, statt Abgasen riechst du den Duft der umliegenden Restaurants. Der betonierte Streifen Straße vor dir ist schmal und nur für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen vorgesehen. Nachdem du deinen Kaffee ausgetrunken hast, schwingst du dich auf dein Rad und fährst nach Hause; ohne Angst, an der nächsten Kreuzung einem heranbrausenden Auto ausweichen zu müssen. Durch klimafreundliche Stadtplanung steigt die Lebensqualität, ganz ohne Autoanbindung.


Titelbild: Unsplash