Green Peak Festival: Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit

Green Peak Festival: Das Geschäft mit der Nachhaltigkeit

Am 22. September ging das Green Peak Festival in Wien über die Bühne. Stellvertretend für den europäischen Umgang mit der Klimakrise ist das Festival einem bestimmten Paradigma zuzuordnen. Dieses nimmt den Klimawandel als Bedrohung zwar wahr, überlässt es allerdings marktkonformen Maßnahmen, die aktuelle Krise zu entschärfen. Eine Reflektion von Gastautor Clemens Schreiber.

Nach Angaben der Veranstalter sei das Green Peak Festival das erste und größte Event für Nachhaltigkeit, grüne Wirtschaft und Umweltschutz in Österreich. Die Messlatte wird hoch angesetzt und mit Nachhaltigkeit ein Thema bespielt, das aktueller nicht sein könnte.

Von Unternehmen wird mittlerweile einiges in Sachen Umweltbewusstsein abverlangt. Das muss auch Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisenbank NÖ-Wien, am eigenen Leib erfahren. Als Höllerer in einer Paneldiskussion meint, dass eine Bank nicht zwischen guten und schlechten Kunden*innen unterscheiden dürfe, wird er sofort dafür gerügt. Allerdings nicht vom Publikum, sondern von Manfred Stanek, Vorstandsvorsitzender von Greiner Packaging. Es sei unverantwortlich und altmodisch, Kredite an Unternehmen auszuzahlen, die nachweislich nichts für den Klimaschutz tun, urteilt er.

Mit dieser Meinung ist Stanek als Wirtschaftsvertreter nicht allein. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Accenture wollen von über 4.000 befragten CEOs 73 Prozent Nachhaltigkeit zu ihrer Top-Priorität in den nächsten zwei Jahren machen. Das Blatt hat sich also gewendet. Milton Friedmans Dogma, die einzige Verantwortung eines Unternehmers sei es, Geld zu scheffeln, scheint zu verblassen. Wie praktisch, dass sich mit ökologischer Verantwortung und ausreichend Innovationskraft aktuell so gut Profit machen lässt.

Milliarden für die Wirtschaft

Dass in grünen Projekten viel Potential steckt, weiß auch die EU. Gerade versucht sie mit ihrem Wiederaufbaufonds die Wirtschaft anzukurbeln. Rund 723,8 Milliarden Euro an EU-Geldern stehen den Mitgliedstaaten allein im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität, die nachhaltige Reformen fördern soll, zur Verfügung. In ihrer Eröffnungsrede bekräftigt Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), dass dieses Geld den europäischen Unternehmen und Start-ups gehöre.

Das Konjunkturpacket kommt zur richtigen Zeit, denn Europas Wirtschaft schwächelt. Das italienische Finanzministerium teilte vor einigen Tagen mit, dass das Land bereits am Anfang einer Rezession steht, die voraussichtlich bis Mitte 2023 anhalten wird. Zudem rechnet das Münchner Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung mit einer Winterrezession in Deutschland.

Klimaforscherin Kromp-Kolb: Eigenes Verhalten hinterfragen

Inwieweit diese Innovationskraft den Klimawandel bremsen kann, bleibt zumindest politisch umstritten. Manche meinen, dass das jetzige Wirtschaftsmodell mit den Pariser Klimazielen vereinbar sei. Es müsse nur an den richtigen Schrauben gedreht werden. Erneuerbare Energie statt fossile Brennstoffe, E-Mobilität statt Verbrennungsmotor. Andere sind skeptischer. Das von  der Menschheit entworfene Wirtschaftsmodell stoße an seine Grenzen. Das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätssteigerung hätte uns doch erst in diese prekäre Lage gebracht, so das Argument.

 Für Helga Kromp-Kolb, Meteorologin an der Universität für Bodenkultur in Wien, birgt die neue Innovations-Euphorie Risiken: „Wir verlassen uns gerade auf die Technik, unsere Probleme zu lösen, ohne unser eigenes Verhalten zu hinterfragen.“ So weiterzumachen wie bisher funktioniere nicht mehr. Der Mensch sei ein bescheidener Teil des globalen Ökosystems, nicht Herr über Erde und Wasser. Zustimmung kommt prompt aus dem Publikum. Eine Oberstufenklasse bricht in energischem  Beifall aus, nickt mit den Köpfen und ruft ihr begeistert zu.

Eine Verbündete findet Kromp-Kolb auch in Monika Fröhler, Vorsitzende des Ban Ki-moon Centre for Global Citizens. „Wussten Sie, dass wir bis 2050 50 Prozent mehr Nahrungsmittel produzieren müssen, 30 Prozent unserer jetzigen Erträge aber nicht resilient genug für das wandelnde Klima sind?“, fragt Fröhler und schaut dabei nachdenklich in die Runde. Diese Ernteausfälle werden vor allem Menschen im globalen Süden treffen, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen. Das System sei „unfair“. Die Tatsache, dass es genügend Essen für alle gibt, wir aber vor riesigen Verteilungsproblemen stehen, bleibt unerwähnt. Das UN-Welternährungsprogramm schätzt nämlich, dass die weltweite Landwirtschaft bereits Nahrungsmittel für fast zehn Milliarden Menschen produziert. Ein Viertel der Ernte landet aber im Müll.

Das Fazit des Events fällt dennoch positiv aus. „Wahnsinnig, was die Biotechnologie heutzutage alles kann“, sagt eine Besucherin zu mir, nachdem die Vorträge beendet sind und die Gäste an der Bar Schlange stehen. Neue Kontakte knüpfen und mit Gleichgesinnten reden – das geht auf dem Green Peak Festival auch ganz ohne inhaltlichen Input. Dafür gibt es verbilligte Tickets, die einem den Eintritt erst ab 16:00 Uhr gewähren und exklusiv zum Essen, Trinken und Networken einladen.


Titelbild: Florian Schrötter, BKA (im Bild zu sehen ist Bundesministerin Edtstadler beim Green Peak Festival)